Teil 1
Zwischen den Jahren
[2096]
Kennen Sie das? Da planen und arbeiten Sie auf ein Projektein Leben lang ganz schön lange hin und am Stichtag schlägt Ihnen wer ein Schnippchen!
Ja? Kennen Sie?
Hätte mich auch gewundert, wenn Sie es nicht kennen täten, denn sonst wäre ja alles so gut gelaufen und zu einem schönen Ende gekommen. Nicht so, wie es denn letztlich alles schief lief,
am Flughafen in Berlin, der Elbmusikalienhandlung oder beim Ferienfahrplan der Bundesbahn, dem Langlaufunfall der Frau Bundeskanzlerin – weswegen der Herr Bosbach sie (die Frau Bundeskanzlerin, nicht Sie, geneigter Leser) telefonisch nicht erreichen konnte und ganz schön schwitzen musste, beim Jauch. In die selbige dann auch Greenpeace mit Währungsspekulationen nicht gegriffen hätte. Und so ist mal wieder allerorten die Kacke so richtig am Dampfen! Dank Ihnen!
- ich habe gehört, das macht man jetzt so. Die Anhänger beschimpfen. Zur Motivation.
Ich hatte auch was in der Planung (liest noch wer mit?), nämlich eine schöne Jahresabschlussfahrt. Vom schönen Niederrhein zur schönen Stadt vomschönen guten alten Ludwig van. Da standen und stehen auch noch heute zwei alleinstehende Türme, eigenhändig gebaut vom großen Erfinder des feinsauer eingelegten Herings im Glas mit Schraubdeckelverschluss.
Wochen zuvor hatte ich alles in trockene Tücher gewickelt. Datum frei gehalten, Bütterken geschmiert und was weiß ich nicht noch alles.
Achso, Fahrrad geputzt und so, natürlich auch. Sogar die noch wichtigere Bekleidungsfrage schien geklärt.
Und dann kam alles, alles anders!
Da war der geneigte Leser diesmal aber nicht dran schuld, sondern das Wetter.
Kennen Sie den Niederrhein?
Also, am Niederrhein, da sinkt die Temperatur im Winter nur selten unter die 16° Celsius-Marke (eigentlich hat es hier das ganze Jahr über 16°C... - gut, im Sommer kann es auch mal deutlich wärmer werden. 18°C oder so, aber das sind Ausreisser). Und hier, am Niederrhein, weil der Winter so milde ist, sieht man, floristisch gesehen, alle vier Jahreszeiten an einer Pflanze gleichzeitig (nicht nur an der Rheinfähre, aber das war jetzt eher was für Insider)!
Das nennt man Mikroklima und darum lachen wir Niederrheiner immerzu – wenn keiner guckt.
Ein paar Tage vor dem 28. Dezember 2014 habe ich dann aber noch nicht mal mehr im Keller gelacht...
Eigentlich war das ja so geplant gewesen:
Mit dem Eisenhaufen von 1934,
dem eigentlichen Turmrad, mit dem ich bereits die Elfringhauser Schweiz und das Bergische San Franzisko bezwang, wäre ich in Kniestrümpfen, Knickerbockern, den guten Rahmengenähten sowie einem Polohemd und eventuell einem Pullunder für die kühlen Abendstunden, den Rhein entlang pedaliert, hätte Tee und Gebäck, Kaffee und Kuchen in mich gestopft und alle wären zufrieden gewesen. Dann hörte ich was von Temperatursturz...
Kalt sollte es werden. Richtig kalt!
Ich rede jetzt hier nicht von 12°C oder so. Obwohl diese Temperatur bei den Älteren am Niederrhein bereits Erinnerungen an Stalingrad weckt. Da rückt das Rote Kreuz nämlich aus und verteilt Decken und heißen Tee. In den Wohnungen, wohlgemerkt.
Neeeee! Um den Gefrierpunkt, hat man sich auf den Straßen und an den Kiosken (Wasserhäuschen, für den Frankfurter Leser) zugeraunt. Um die 0°C sollte es werden.
Da war ich aber in Aufruhr, das darf ich getrost sagen. Im Geiste hatte ich bereits das Polo- durch ein Langarmhemd und den Pullunder durch einen Pullover ersetzt. Farblich natürlich aufeinander abgestimmt, aber das versteht sich ja wohl von selbst.
Als die letzte Temperaturvorhersage sich auf -2°C festlegte, zog ich sogar den Dufflecoat in Betracht.
Schockschwerenot! Der Dufflecoat!? Sapristi! Wo war denn der überhaupt?
Ewig nicht gebraucht (16°C und so), irgendwann in einen Karton gepackt, wegen der
Bautätigkeiten im Hause,
dann letztendlich verschollen.
Das Rote Kreuz faltete bereits Decken und kochte heißen Tee im Akkord und hatte leider keine Kapazitäten für den Suchdienst mehr frei. Aber ohne den Dufflecoat, bei den annoncierten Temperaturen – das wäre zu kalt gewesen. Und einen anderen Mantelbesitze ich nicht.. das hätte nicht ausgesehen! Ich meine, das muss doch auch aussehen, wenn man da so auf dem Velo..., da kann man doch nicht wie ein [SERIENDRUCKFELD: „Lieblingsfeindbild“] aussehen! Und dann die Unfallgefahr! Nicht auszudenken, ich würde mit dem Rad böse stürzen! Das schöne alte Rad könnte Schaden nehmen, kaputt gehen gar!
Wie ein aufgeregtes Huhn flatterte ich auf der Baustelle umher und suchte nach einem Ausweg aus diesem Dilemma.
Als Erstes habe ich dann mal das Rad getauscht.
Das hat mich schon Überwindung gekostet. Der Turm in Ansbach war ja bereits mit einem Leihrad neueren Baujahres bezwungen worden. Aus Gründen ™ der Logistik. Es sollte ein Ausreisser bleiben, hatte ich mir gedacht. Nun gut, ich wählte das Rumpelrad, weil, da passen auch breitere Pneus hinein. Für das Archiv: 28 mm sollten es sein, vonwegen der Sicherheit und so.
Jahaha, und die Bekleidung hab ich auch geändert.
Mehr so Mamil und dann die Sommersachen in mehrerererererereren Lagen übereinander. Wie eine Zwiebel, so können Sie, geneigter Leser, sich das vorstellen.
Und ich verkürzte die Reiseroute.
Der Plan war zunächst, mit der Bundesbahn bis Köln zu reisen und sich dann erst auf den Sattel zu schwingen.
Ich sag Ihnen was: Wenn Sie am 28. Dezember 2014 am Bahnsteig ein Michelin-Männchen (Bibendum, falls Sie mal wie der Herr Bosbach beim Jauch ins Schwitzen kommen) mit Rad erblickten, dann war ich das.
Joa, und dann kam ich in Köln an. Ganz schön kalt war es da!
Irgendwie hatte ich mir -2°C wärmer vorgestellt. Es waren dann auch gar keine -2°C gewesen.
Es waren sieben! -7°C !!!
Hallo?! Sieben Grad unter Null! Im Winter! Wohl verrückt geworden!?!
Ich meine, das hatte ja nun nix mehr mit Ausreisser oder so zu tun. Gedanklich sah ich bereits die Herren Redakteure in einer Sondersitzung beisammen hocken, um einen ARD-Brennpunkt zusammen zu wichsen. Die sind ja immer dankbar, für solche Themen. Aber bis zur Ausstrahlung, da war es an mir, sich des Themas zu bemächtigen. -7°C, mein lieber Herr Gesangsverein...
Ich bin dann etas bang über die römischen Tonscherbenstraßen Kölns geeiert, ein Stück des Rheins entlang, um mir dann einzugestehen: Schnapsidee!
Hatten alle Recht gehabt, denen ich im Vorfeld von meinem Vorhaben erzählt hatte. Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit, so der allgemeine Tenor.
Völlig insuffiziente Bekleidung ließ mich abermals die Planung über den Haufen werfen. Ich wollte schließlich nicht mit fünf Zehen in meinen Händen heimkehren.
Da bin ich dann zum nächsten Bahnhof. Denn die Entscheidung, die Türme zu nehmen, die war ja gefallen. Ich häte wirklich gerne die gesammte Strecke mit dem Velo... alleine, was einem da optisch entgangen ist: Chemiewerke Dormagen, Köln-Chorweiler, Tankstelle in Wesseling... lauter Leckerbissen, die Lust auf Mehr machten... Auf mehr Bahn fahren, nämlich.
Da war ich also gar nicht sooo traurig, als ich in der warmen Bahn stand und dann die Stadt des guten alten Ludwig van erreichte.
Immerhin, es war hier wesentlich wärmer. -6°C, nämlich.
Das war auszuhalten und außerdem hatte ich ja nun auch viel mehr Zeit für eine größere Erkundung der Ludwig van-Stadt. Da war ich wieder mit mir im Rhein.
Aber zuallererst war ich im Kalten. Meine Fresse, war das kalt!
Da hab ich mich dann mal warm gefahren.
Zwischen den Jahren
[2096]
Kennen Sie das? Da planen und arbeiten Sie auf ein Projekt
Ja? Kennen Sie?
Hätte mich auch gewundert, wenn Sie es nicht kennen täten, denn sonst wäre ja alles so gut gelaufen und zu einem schönen Ende gekommen. Nicht so, wie es denn letztlich alles schief lief,
am Flughafen in Berlin, der Elbmusikalienhandlung oder beim Ferienfahrplan der Bundesbahn, dem Langlaufunfall der Frau Bundeskanzlerin – weswegen der Herr Bosbach sie (die Frau Bundeskanzlerin, nicht Sie, geneigter Leser) telefonisch nicht erreichen konnte und ganz schön schwitzen musste, beim Jauch. In die selbige dann auch Greenpeace mit Währungsspekulationen nicht gegriffen hätte. Und so ist mal wieder allerorten die Kacke so richtig am Dampfen! Dank Ihnen!
- ich habe gehört, das macht man jetzt so. Die Anhänger beschimpfen. Zur Motivation.
Ich hatte auch was in der Planung (liest noch wer mit?), nämlich eine schöne Jahresabschlussfahrt. Vom schönen Niederrhein zur schönen Stadt vom
Wochen zuvor hatte ich alles in trockene Tücher gewickelt. Datum frei gehalten, Bütterken geschmiert und was weiß ich nicht noch alles.
Achso, Fahrrad geputzt und so, natürlich auch. Sogar die noch wichtigere Bekleidungsfrage schien geklärt.
Und dann kam alles, alles anders!
Da war der geneigte Leser diesmal aber nicht dran schuld, sondern das Wetter.
Kennen Sie den Niederrhein?
Also, am Niederrhein, da sinkt die Temperatur im Winter nur selten unter die 16° Celsius-Marke (eigentlich hat es hier das ganze Jahr über 16°C... - gut, im Sommer kann es auch mal deutlich wärmer werden. 18°C oder so, aber das sind Ausreisser). Und hier, am Niederrhein, weil der Winter so milde ist, sieht man, floristisch gesehen, alle vier Jahreszeiten an einer Pflanze gleichzeitig (nicht nur an der Rheinfähre, aber das war jetzt eher was für Insider)!
Das nennt man Mikroklima und darum lachen wir Niederrheiner immerzu – wenn keiner guckt.
Ein paar Tage vor dem 28. Dezember 2014 habe ich dann aber noch nicht mal mehr im Keller gelacht...
Eigentlich war das ja so geplant gewesen:
Mit dem Eisenhaufen von 1934,
dem eigentlichen Turmrad, mit dem ich bereits die Elfringhauser Schweiz und das Bergische San Franzisko bezwang, wäre ich in Kniestrümpfen, Knickerbockern, den guten Rahmengenähten sowie einem Polohemd und eventuell einem Pullunder für die kühlen Abendstunden, den Rhein entlang pedaliert, hätte Tee und Gebäck, Kaffee und Kuchen in mich gestopft und alle wären zufrieden gewesen. Dann hörte ich was von Temperatursturz...
Kalt sollte es werden. Richtig kalt!
Ich rede jetzt hier nicht von 12°C oder so. Obwohl diese Temperatur bei den Älteren am Niederrhein bereits Erinnerungen an Stalingrad weckt. Da rückt das Rote Kreuz nämlich aus und verteilt Decken und heißen Tee. In den Wohnungen, wohlgemerkt.
Neeeee! Um den Gefrierpunkt, hat man sich auf den Straßen und an den Kiosken (Wasserhäuschen, für den Frankfurter Leser) zugeraunt. Um die 0°C sollte es werden.
Da war ich aber in Aufruhr, das darf ich getrost sagen. Im Geiste hatte ich bereits das Polo- durch ein Langarmhemd und den Pullunder durch einen Pullover ersetzt. Farblich natürlich aufeinander abgestimmt, aber das versteht sich ja wohl von selbst.
Als die letzte Temperaturvorhersage sich auf -2°C festlegte, zog ich sogar den Dufflecoat in Betracht.
Schockschwerenot! Der Dufflecoat!? Sapristi! Wo war denn der überhaupt?
Ewig nicht gebraucht (16°C und so), irgendwann in einen Karton gepackt, wegen der
Bautätigkeiten im Hause,
dann letztendlich verschollen.
Das Rote Kreuz faltete bereits Decken und kochte heißen Tee im Akkord und hatte leider keine Kapazitäten für den Suchdienst mehr frei. Aber ohne den Dufflecoat, bei den annoncierten Temperaturen – das wäre zu kalt gewesen. Und einen anderen Mantel
Wie ein aufgeregtes Huhn flatterte ich auf der Baustelle umher und suchte nach einem Ausweg aus diesem Dilemma.
Als Erstes habe ich dann mal das Rad getauscht.
Das hat mich schon Überwindung gekostet. Der Turm in Ansbach war ja bereits mit einem Leihrad neueren Baujahres bezwungen worden. Aus Gründen ™ der Logistik. Es sollte ein Ausreisser bleiben, hatte ich mir gedacht. Nun gut, ich wählte das Rumpelrad, weil, da passen auch breitere Pneus hinein. Für das Archiv: 28 mm sollten es sein, vonwegen der Sicherheit und so.
Jahaha, und die Bekleidung hab ich auch geändert.
Mehr so Mamil und dann die Sommersachen in mehrerererererereren Lagen übereinander. Wie eine Zwiebel, so können Sie, geneigter Leser, sich das vorstellen.
Und ich verkürzte die Reiseroute.
Der Plan war zunächst, mit der Bundesbahn bis Köln zu reisen und sich dann erst auf den Sattel zu schwingen.
Ich sag Ihnen was: Wenn Sie am 28. Dezember 2014 am Bahnsteig ein Michelin-Männchen (Bibendum, falls Sie mal wie der Herr Bosbach beim Jauch ins Schwitzen kommen) mit Rad erblickten, dann war ich das.
Joa, und dann kam ich in Köln an. Ganz schön kalt war es da!
Irgendwie hatte ich mir -2°C wärmer vorgestellt. Es waren dann auch gar keine -2°C gewesen.
Es waren sieben! -7°C !!!
Hallo?! Sieben Grad unter Null! Im Winter! Wohl verrückt geworden!?!
Ich meine, das hatte ja nun nix mehr mit Ausreisser oder so zu tun. Gedanklich sah ich bereits die Herren Redakteure in einer Sondersitzung beisammen hocken, um einen ARD-Brennpunkt zusammen zu wichsen. Die sind ja immer dankbar, für solche Themen. Aber bis zur Ausstrahlung, da war es an mir, sich des Themas zu bemächtigen. -7°C, mein lieber Herr Gesangsverein...
Ich bin dann etas bang über die römischen Tonscherbenstraßen Kölns geeiert, ein Stück des Rheins entlang, um mir dann einzugestehen: Schnapsidee!
Hatten alle Recht gehabt, denen ich im Vorfeld von meinem Vorhaben erzählt hatte. Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit, so der allgemeine Tenor.
Völlig insuffiziente Bekleidung ließ mich abermals die Planung über den Haufen werfen. Ich wollte schließlich nicht mit fünf Zehen in meinen Händen heimkehren.
Da bin ich dann zum nächsten Bahnhof. Denn die Entscheidung, die Türme zu nehmen, die war ja gefallen. Ich häte wirklich gerne die gesammte Strecke mit dem Velo... alleine, was einem da optisch entgangen ist: Chemiewerke Dormagen, Köln-Chorweiler, Tankstelle in Wesseling... lauter Leckerbissen, die Lust auf Mehr machten... Auf mehr Bahn fahren, nämlich.
Da war ich also gar nicht sooo traurig, als ich in der warmen Bahn stand und dann die Stadt des guten alten Ludwig van erreichte.
Immerhin, es war hier wesentlich wärmer. -6°C, nämlich.
Das war auszuhalten und außerdem hatte ich ja nun auch viel mehr Zeit für eine größere Erkundung der Ludwig van-Stadt. Da war ich wieder mit mir im Rhein.
Aber zuallererst war ich im Kalten. Meine Fresse, war das kalt!
Da hab ich mich dann mal warm gefahren.