[2007]
Pak de Velo
Nachdem wir uns in aller Herrgottsfrühe fröhlich aus den Kunststoffsitzschalen des Zweitliga-Stadions geschält hatten,
genehmigten wir uns zunächst mal ein ausgiebiges Frühstück.
Das ist in Belgien eine ganz besondere Mahlzeit.
Es gibt nämlich nichts Süßes – was man nicht NOCH süßer machen könnte. Schmalzgebackene Spezialitäten aus süßem Hefe- und/oder Blätterteig. Mit und ohne Rosinen. Obligatorisch: Marzipanfüllung. Dazu dann Apfel-Birnen-Dattel-Sirup, wahlweise Marmelade. „Carboloading“, quasi.
Im Frühstücksraum befanden sich übrigens lauter Menschen in Radfahrerbekleidung.
Meine Vermutung war ja zunächst, daß dies synonym zu den englischen Fußballtrikots sei. Der Engländer trägt ja nix anderes. Auch unten rum nicht. Denn wir wissen ja alle, daß es ein Naturbedürfnis des Engländers ist, der Sonne seinen blanken Hintern entgegenzustrecken...
Aber die Belgier, die waren tatsächlich so angezogen, weil sie mit dem Rad fahren wollten.
Wir wollten dann auch fahren. Um den Zeitplan so einigermaßen einzuhalten, sind wir in die Eisenbahn eingestiegen. Da! Ein Pfiff!
Auch in Belgien hat nämlich alles seine Ordnung! Da kann man nicht einfach so, mir nichts, dir nichts, mit dem Rad in einen Waggon klettern! Neeeeeeee, nee, nee, nee!
Wir wurden vom Schaffner höflich gebeten, das Fahrradabteil zu nutzen. Wir bräuchten uns aber nicht zu beeilen, der Zug würde warten. Dann hat uns der freundliche Schaffner noch erklärt, wie man die Räder befestigt, damit sie nicht umkippen. Ach, sowas, der Befestigungsgurt war defekt?
Mit einer beiläufigen Handbewegung deutete der Schaffner an, daß es nichts ausmache, man könnte das Rad ja auch schräg an die Waggonwand lehnen. Dann klappte er mir noch einen Klappsitz herunter und bot mir einen Sitzplatz an...
Das bin ich von der Bahn SO nicht gewohnt!!!
Der geneigte Leser kann sich meine Verwirrung bestimmt vorstellen.
Der Zug, kurioserweise und laut einer angebrachten Plakette, das Eigentum einer Stuttgarter Mobiliengesellschaft, schwebte dann gen Leuven. Und bevor wir es uns in den schweren Fauteuils gemütlich machen konnten, waren wir auch schon da!
Flugs aufs Rad, quer durch den Bahnhof, über die
Hauptstraße ins Zentrum,
das berühmte Denkmal "Männeken Pils" angeguckt und weiter, zum Beginenhof.
Beginenhof, das ist der Ort, wo Jan Delay seine ersten musikalischen Meriten verdiente.
Das ich das mal sehen würde, fand ich hammerhart.
Aber genug vom Backstein – hinein ins nuancierte Grün!
Nicht, ohne zuvor einen neuen Schlauch in mein Hinterrad einzupopeln. Der alte, vom Vortag, war nämlich kaputt.
Grün
Ja, und dann hab ich erstmal keine Fotos mehr gemacht....
Ich sag mal so:
Im Grün, ne, da sind wir, der kreuzbube und ich, ganz gut durchgekommen. Schotter, Wurzelwerk, Kopfsteinpflaster, Schlaglöcher (tief wie Granattrichter) – alles kein Problem.
Dann, auf einer Passage mit Split, ertönte wieder dieses ulkige „Flapp-flapp-flapp“, nee, eigentlich tönte es nun „vlap-vlap-vlap“ vom Hinterrad. Vielleicht erinnert sich der geneigte Leser.
Blind vor Wut, im
Weil meine Hände und Lippen vor Ärger bebten, half mir abermals der kreuzbube beim Schlauchtausch. So langsam gingen ja auch die Vorräte an Schläuchen zur Neige und dann hatte, zu allem Überfluss, auch noch das Ventil eine Macke, sodaß ich dann mit gefühlten 1,5 bar Luftdruck die Fahrt (die Fahrt, wohlgemerkt! Das war ja längst keine Reise mehr!) fortsetzen konnte.
Mit Unbehagen, denn wir wussten nun, das der Mantel eines renommierten Markenherstellers einen hübschen Schnitt aufwies. Da hätte eine Distel genügt, um die Fahrt zu beenden, sag ich mal.
Zum Glück kamen dann erstmal keine Disteln, sondern die hübschen Produkte aus Visé zum Zuge.
Betonplatten. Schön durchnummeriert (manchmal waren aber auch Zahlen vertauscht – hihihi), bildeten sie den Straßenbelag im ländlichen Raum.
Und die Fahrt ging auch erstaunlich gut voran...
Endlich hatte der doofe Gegenwind klein beigegeben...
Nach geraumer Zeit, kurz bevor einer von uns beiden ausrufen konnte: „Kommt mir bekannt vor“,
haben wir es dann gemerkt... der Gegenwind war Rückenwind geworden...weil wir
Jawoll!
Zufrieden ob unserer Leistung sind wir dann
zurück in die Beginen.
Dort hab ich in einem Fahrradladen im Vorübergehen noch einen Vollgummireifen besorgt. Und das Schlauchlager aufgekauft – was man hat, das hat man.
Bei einem Brodje Frikandel beschlossen wir, den Reifen alsbald zu wechseln.
Nach dem Brodje Frikandel hatten wir dazu keine Lust mehr.
Wir hatten auch zum Radfahren plötzlich keine Lust mehr, weil da ja jetzt ein schöner Ziegelstein im Bauch lag. Der wollte erstmal verdaut werden. Im Sitzen. In der Bahn.
Und so sind wir dann zum nächsten Zug. Der war seeeeehr lang. Und wir hatten ja die Transferleistung erbracht, daß Fahrräder gefälligst im Fahrradwaggon zu transportieren seien.
Da sind wir als Deutsche nun mal sehr eifrig, was das Befolgen von Vorschriften betrifft.
Aber ach! Da war gar kein Fahrradwaggon... Am Ende des Zuges erspähten wir den Schaffner. Da sind wir dann hin. Recht zügig, trotz des Ziegelsteins.
Der Schaffner, lässig an den Zug gelehnt, mit einer Zigarette in der Hand (trotz Nichtraucherbereich!) beantwortete meinen fragenden Blick mit der Frage, wo wir denn hin wollten. „Naar Chent“, sagte ich. Der Schaffner nickte und wir durften unsere Räder in den hintersten Waggon einladen. Was wir nicht wussten: Es war das Schaffner-Abteil. Der Sozialraum, quasi.
Tief beeindruckt von soviel Gastfreundlichkeit setzten wir uns und ließen den Ziegelstein seine Wirkung tun.
In Gent hat uns dann der Schaffner freundlich geweckt.
Auf dem Fahrradparkplatz haben wir mein Gepäck neu gepackt.
Der noch nicht montierte Vollgummireifen musste schließlich noch tourentauglich an den Rucksack klamüsert werden.
La troisième roue de mon vélo
Von Gent hatten wir natürlich kein Kartenmaterial mitgeführt und trotzdem hatte es nur 45 Minuten gedauert, bis wir den richtigen Fahrradweg gefunden hatten.
Und in den Sonnenuntergang hinein, mit einem Lied auf den Lippen, (das man aber nicht hören konnte, weil ja nun der doofe Gegenwind wieder unser Gast war und so weiter und so fort) velozipierten wir gen Westen! Oder den Tod!
wordt vervolgd...
Visé ma tenten und Kipbillen met appelmoes (en mayonnaise)
[2006]
Von nun an gings bergab...
Quatsch! Bergauf! Bergauf ging es! Und wie!
Aachen, das ist recht hügelig. Das hängt mit der Topographie zusammen. In Aachen, da fährt man eigentlich immer irgendeinen Hügel hinauf. Nicht schlimm, aber dafür stetig. Und der Gegenwind, der war ja auch noch da. Immerhin lockten vielversprechende Schilder mit dem Hinweis, daß bald mal die Niederl... äh, also, Holland, kommen müsste.
Wir wählten für unsere Weiterfahrt gen Maastricht die gute alte Bundesstraße 1.
Das ist nämlich die älteste und längste Straße der mir bekannten Welt, wenn nicht gar Deutschlands gewesen. Die geht nämlich bis kurz vor Moskau. Und damit meine ich nicht den Großraum Berlin!
Der Holländer hat sich die deutsche Technik dann irgendwann mal zu Nutzen gemacht und einfach, so ganz ohne Beachtung jeglicher Urheberrechte, seine Nationalstraße 278 an die gute alte B1 angebaut. Verlängert, quasi.
Das war für uns dann ganz schön praktisch gewesen. Und weil die Niederl... äh, also, Holland ja topfeben ist, hatten wir uns schon auf ein gemütliches Weiterkommen gefreut.
Ja, denkste!
Aber erstmal ein herzliches Willkommen im Land von Simone
Was dem Deutschen der Peter, das ist dem Niederländer die Simone (die oben verlinkte Band hat mal freien Eintritt für Mädchen mit dem Vornamen Simone eingeführt. Nach den ersten Konzerten wurde es auf die ersten zehn Simone begrenzt. Wister bescheid...).
Gleich ab Vaals (Vogel-V) gings weiter mit der Steigerei. Und um es den Radfahrern mal so richtig zu zeigen, haben die doch tatsächlich nach jeweils 100 Metern so kleine Schilderkes aufgestellt, auf denen vermerkt war, daß man gerade genau 100 Meter zurückgelegt hatte. Das geht ungefähr 23 Kilometer so. Da muss man die Nerven behalten!
Aber was für Radwege! Der Wahnsinn! 20 Meter breit auf jeder Spur. Sogar an den Hauptverkehrsadern! Da sollte der Deutsche mal ruhig Fünfe gerade sein und den Urheberrechtsschutz Urheberrechtsschutz sein lassen und das mal einfach kopieren.
Man sollte da mal einen Antrag... (wir wissen natürlich alle, daß daraus nix werden kann. Das hängt mit den Strukturen der öffentlichen Hand zusammen – kannste nix machen.) Vielleicht würde es aber auch schon genügen, die vorhandenen Radwege zu sanieren!!! Also, Brennessel wegmachen und Wurzelblasen fräsen. Aber damit kann man ja bekanntlich keine Wahl gewinnen. Dann als Politiker lieber mit den Medien im Schlepptau ein Bändel mit der Schere unbeholfen durchschnippeln und eine neue Route eröffnen, die dann nach 2 Jahren mit Brennessel und Wurzelblasen... ach, egal.
Die Verkehrsverhältnisse in Holland waren recht belebt. Da gab es glückselig lächelnde Senioren, die mit ihrem elektrisch unterstützten Omafiets (Hollandrad) die Hügel stürmten. Es gab auch trainingsanzugbeschürzte Halbstarke auf Rädern mit der vorderen und hinteren Acht in den Felgen und, und, und. Und alle sind sie da hoch pedaliert. Ganz besonders in Erinnerung blieb mir ein vielleicht 12 Jahre altes Mädchen mit einem Rucksack im Schottenkaro-Desseng, daß auf ihrem Omafiets den Hügel erklomm. Sie nutzte dabei die volle Breite des Radweges, pendelnd von links nach rechts und umgekehrt. Respekt!
Naja, irgendwann war die Schneekoppe überwunden und es ging dann doch noch bergab. Hinein in die älteste Stadt der Niederlande:
Maastricht
D´Artagnan hat sie übrigens nie (weder die Sadt noch das Foto) gesehen. Nur von aussen (die Stadt). Dann wurde er tot gemacht. Aber davon später mehr.
Wichtiger für mich:
Wenn in meiner Kindheit von Maastricht gesprochen wurde (also, eigentlich wurde von „Meschtresch“ gesprochen), dann wurden immer, wirklich immer, im gleichen Atemzug „Bonnefanten“ erwähnt. Menschen, die sich gegenseitig anschauen, wohlwissend zunickend „Aaah, Bonnefanten!“ zurufend.
Ich hab ja immer gedacht, das wäre sowas wie der Telefant mit Michael Schanze, nur mit Bassie und Adriaan und auf nieder...holländisch, oder so. Oder Fabeltjeskrant.
Jedenfalls irgendwas mit bunten Elefanten.
Aber: Keine Zeit für große Erkundungen. Wir lagen ja weit hinter unserem Zeitplan zurück. Also nur kurz die Maas angeguckt und weiter.
Und rubbeldikatz waren wir dann auch schon in Belgien. Hätte man gar nicht gemerkt, weil, Grenzstationen gibbet ja gar keine mehr. Einzig der Straßenbelag verriet das ganz andere Land.
Und natürlich die Musik!
Bonjour Belgique!
Wir waren nämlich über die Wallonie ins Land eingetrudelt. In der Wallonie spricht man übrigens französisch (Merksatz).
Wir durchmaßen die Randgebiete des Städtchens Visé. Dieses Städtchen ist so bemerkenswert, weil es Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat.
Und das kam so:
Früher, da war Visé das Zentrum der Bautechnologie für Belgien. Man hat da Zelte gebaut. Weltmarktführer war man. Und das, obwohl die dort keinerlei Logistikzentren besaßen.
Darum mussten die Kunden sich die Zelte dort immer selbst abholen. Eine frühe Form des sogenannten „Outlet“, Fabrikverkauf, quasi.
Aber es gab auch keine Hinweisschilder, wo denn nun der Fabrikverkauf gewesen wäre.
Und darum riefen die Kunden am Stadttor immer: „Visé! Ma tent?“ (Visé! Wo ist mein Zelt?“)
Auch viele deutsche Kunden holten dort, nach einem beschwerlichen Weg, (zum Beispiel über die blöden Hügel von Vaals!) ihre Zelte ab. Und im Laufe der Jahrhunderte kam es dann zu einer Verballhornung im Deutschen: „Fissematenten“
So war das.
Heute ist Visé das Zentrum der belgischen Betonherstellung. Und Belgien braucht viel Beton!
Zum Beispiel für alle Nebenstraßen und Radwege.
Über diese Nebenstraßen und Radwege sind wir dann kreuz und quer durch die Gegend gegurkt.
Es gab auch viel Grün abseits der Wege, sogar in diversen Nuancen.
Wir hätten bestimmt auch das ein oder andere Mal gehalten, für zum gucken. Allein, es fehlte die Zeit.
So haben wir dann nur nach den Radwege-Hinweisschildern geguckt.
Und das, alle Achtung, haben die mal fein hingekriegt, in Belgien. Vielleicht kennt der geneigte Leser die deutsche Variante der Radwege-Hinweisschilder? So blasse, beige-graue Täfelchen in der Größe eines gefalteten Papiertaschentuches.
In Belgien, mein lieber Scholli, da sind die RIESIG! Und überall stehen Zahlen drauf, mit Richtungspfeil.
In Belgien, da hat nämlich jede Kreuzung, wo mindestens zwei Radwege aufeinandertreffen, eine Nummer. Und die ist auf den Schildern immer ausgewiesen. Toll! Braucht man nur noch eine Karte, wo die Lymphknoten aufgezeichnet sind – kannste Dich kaum noch verfahren.
Knotenpunktschild
Und dann hatten wir die Sprachgrenze überfahren und waren mittenmang in der ältesten Stadt von Belgien:
Tongeren, gegründet 1680
Tongeren ist berühmt für ein einzigartiges Bauwerk der Neogotik, welches es so kein zweites Mal auf der ganzen weiten Welt geben tut:
Der schiefe Turm von Tongeren, erbaut von Lennard van Wintsje
Dort haben wir dann auch unser Abendbrot zu uns genommen.
Hähnchenschlegel mit Apfelmus und Fritten. Die dazu angebotene Mayonnaise haben wir ausgeschlagen.
Die Hähnchenknochen über die Schulter werfend sind wir dann weiter, wir wollten ja eigentlich noch nach Leuven.
Das haben wir dann aber nicht mehr geschafft. Es war ja schon dunkel und eigentlich muss ich dann immer zu Hause sein. Wir sind dann immerhin noch bei einsetzendem Regen in St. Truiden angekommen. Dort sind wir dann auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit 5 Mal um die Kirche gekreist.
Da war mir schon ganz schwindelig. Das erste Hotel, das wir fanden, war völlig dunkel. Das zweite war völlig überbucht. Der freundliche Portier gab uns aber den entscheidenden Tipp:
Fußballstadion.
Das hatte 11.337 Betten...
wordt vervolgd...
[2006]
Von nun an gings bergab...
Quatsch! Bergauf! Bergauf ging es! Und wie!
Aachen, das ist recht hügelig. Das hängt mit der Topographie zusammen. In Aachen, da fährt man eigentlich immer irgendeinen Hügel hinauf. Nicht schlimm, aber dafür stetig. Und der Gegenwind, der war ja auch noch da. Immerhin lockten vielversprechende Schilder mit dem Hinweis, daß bald mal die Niederl... äh, also, Holland, kommen müsste.
Wir wählten für unsere Weiterfahrt gen Maastricht die gute alte Bundesstraße 1.
Das ist nämlich die älteste und längste Straße der mir bekannten Welt, wenn nicht gar Deutschlands gewesen. Die geht nämlich bis kurz vor Moskau. Und damit meine ich nicht den Großraum Berlin!
Der Holländer hat sich die deutsche Technik dann irgendwann mal zu Nutzen gemacht und einfach, so ganz ohne Beachtung jeglicher Urheberrechte, seine Nationalstraße 278 an die gute alte B1 angebaut. Verlängert, quasi.
Das war für uns dann ganz schön praktisch gewesen. Und weil die Niederl... äh, also, Holland ja topfeben ist, hatten wir uns schon auf ein gemütliches Weiterkommen gefreut.
Ja, denkste!
Aber erstmal ein herzliches Willkommen im Land von Simone
Was dem Deutschen der Peter, das ist dem Niederländer die Simone (die oben verlinkte Band hat mal freien Eintritt für Mädchen mit dem Vornamen Simone eingeführt. Nach den ersten Konzerten wurde es auf die ersten zehn Simone begrenzt. Wister bescheid...).
Gleich ab Vaals (Vogel-V) gings weiter mit der Steigerei. Und um es den Radfahrern mal so richtig zu zeigen, haben die doch tatsächlich nach jeweils 100 Metern so kleine Schilderkes aufgestellt, auf denen vermerkt war, daß man gerade genau 100 Meter zurückgelegt hatte. Das geht ungefähr 23 Kilometer so. Da muss man die Nerven behalten!
Aber was für Radwege! Der Wahnsinn! 20 Meter breit auf jeder Spur. Sogar an den Hauptverkehrsadern! Da sollte der Deutsche mal ruhig Fünfe gerade sein und den Urheberrechtsschutz Urheberrechtsschutz sein lassen und das mal einfach kopieren.
Man sollte da mal einen Antrag... (wir wissen natürlich alle, daß daraus nix werden kann. Das hängt mit den Strukturen der öffentlichen Hand zusammen – kannste nix machen.) Vielleicht würde es aber auch schon genügen, die vorhandenen Radwege zu sanieren!!! Also, Brennessel wegmachen und Wurzelblasen fräsen. Aber damit kann man ja bekanntlich keine Wahl gewinnen. Dann als Politiker lieber mit den Medien im Schlepptau ein Bändel mit der Schere unbeholfen durchschnippeln und eine neue Route eröffnen, die dann nach 2 Jahren mit Brennessel und Wurzelblasen... ach, egal.
Die Verkehrsverhältnisse in Holland waren recht belebt. Da gab es glückselig lächelnde Senioren, die mit ihrem elektrisch unterstützten Omafiets (Hollandrad) die Hügel stürmten. Es gab auch trainingsanzugbeschürzte Halbstarke auf Rädern mit der vorderen und hinteren Acht in den Felgen und, und, und. Und alle sind sie da hoch pedaliert. Ganz besonders in Erinnerung blieb mir ein vielleicht 12 Jahre altes Mädchen mit einem Rucksack im Schottenkaro-Desseng, daß auf ihrem Omafiets den Hügel erklomm. Sie nutzte dabei die volle Breite des Radweges, pendelnd von links nach rechts und umgekehrt. Respekt!
Naja, irgendwann war die Schneekoppe überwunden und es ging dann doch noch bergab. Hinein in die älteste Stadt der Niederlande:
Maastricht
D´Artagnan hat sie übrigens nie (weder die Sadt noch das Foto) gesehen. Nur von aussen (die Stadt). Dann wurde er tot gemacht. Aber davon später mehr.
Wichtiger für mich:
Wenn in meiner Kindheit von Maastricht gesprochen wurde (also, eigentlich wurde von „Meschtresch“ gesprochen), dann wurden immer, wirklich immer, im gleichen Atemzug „Bonnefanten“ erwähnt. Menschen, die sich gegenseitig anschauen, wohlwissend zunickend „Aaah, Bonnefanten!“ zurufend.
Ich hab ja immer gedacht, das wäre sowas wie der Telefant mit Michael Schanze, nur mit Bassie und Adriaan und auf nieder...holländisch, oder so. Oder Fabeltjeskrant.
Jedenfalls irgendwas mit bunten Elefanten.
Aber: Keine Zeit für große Erkundungen. Wir lagen ja weit hinter unserem Zeitplan zurück. Also nur kurz die Maas angeguckt und weiter.
Und rubbeldikatz waren wir dann auch schon in Belgien. Hätte man gar nicht gemerkt, weil, Grenzstationen gibbet ja gar keine mehr. Einzig der Straßenbelag verriet das ganz andere Land.
Und natürlich die Musik!
Bonjour Belgique!
Wir waren nämlich über die Wallonie ins Land eingetrudelt. In der Wallonie spricht man übrigens französisch (Merksatz).
Wir durchmaßen die Randgebiete des Städtchens Visé. Dieses Städtchen ist so bemerkenswert, weil es Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat.
Und das kam so:
Früher, da war Visé das Zentrum der Bautechnologie für Belgien. Man hat da Zelte gebaut. Weltmarktführer war man. Und das, obwohl die dort keinerlei Logistikzentren besaßen.
Darum mussten die Kunden sich die Zelte dort immer selbst abholen. Eine frühe Form des sogenannten „Outlet“, Fabrikverkauf, quasi.
Aber es gab auch keine Hinweisschilder, wo denn nun der Fabrikverkauf gewesen wäre.
Und darum riefen die Kunden am Stadttor immer: „Visé! Ma tent?“ (Visé! Wo ist mein Zelt?“)
Auch viele deutsche Kunden holten dort, nach einem beschwerlichen Weg, (zum Beispiel über die blöden Hügel von Vaals!) ihre Zelte ab. Und im Laufe der Jahrhunderte kam es dann zu einer Verballhornung im Deutschen: „Fissematenten“
So war das.
Heute ist Visé das Zentrum der belgischen Betonherstellung. Und Belgien braucht viel Beton!
Zum Beispiel für alle Nebenstraßen und Radwege.
Über diese Nebenstraßen und Radwege sind wir dann kreuz und quer durch die Gegend gegurkt.
Es gab auch viel Grün abseits der Wege, sogar in diversen Nuancen.
Wir hätten bestimmt auch das ein oder andere Mal gehalten, für zum gucken. Allein, es fehlte die Zeit.
So haben wir dann nur nach den Radwege-Hinweisschildern geguckt.
Und das, alle Achtung, haben die mal fein hingekriegt, in Belgien. Vielleicht kennt der geneigte Leser die deutsche Variante der Radwege-Hinweisschilder? So blasse, beige-graue Täfelchen in der Größe eines gefalteten Papiertaschentuches.
In Belgien, mein lieber Scholli, da sind die RIESIG! Und überall stehen Zahlen drauf, mit Richtungspfeil.
In Belgien, da hat nämlich jede Kreuzung, wo mindestens zwei Radwege aufeinandertreffen, eine Nummer. Und die ist auf den Schildern immer ausgewiesen. Toll! Braucht man nur noch eine Karte, wo die Lymphknoten aufgezeichnet sind – kannste Dich kaum noch verfahren.
Knotenpunktschild
Und dann hatten wir die Sprachgrenze überfahren und waren mittenmang in der ältesten Stadt von Belgien:
Tongeren, gegründet 1680
Tongeren ist berühmt für ein einzigartiges Bauwerk der Neogotik, welches es so kein zweites Mal auf der ganzen weiten Welt geben tut:
Der schiefe Turm von Tongeren, erbaut von Lennard van Wintsje
Dort haben wir dann auch unser Abendbrot zu uns genommen.
Hähnchenschlegel mit Apfelmus und Fritten. Die dazu angebotene Mayonnaise haben wir ausgeschlagen.
Die Hähnchenknochen über die Schulter werfend sind wir dann weiter, wir wollten ja eigentlich noch nach Leuven.
Das haben wir dann aber nicht mehr geschafft. Es war ja schon dunkel und eigentlich muss ich dann immer zu Hause sein. Wir sind dann immerhin noch bei einsetzendem Regen in St. Truiden angekommen. Dort sind wir dann auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit 5 Mal um die Kirche gekreist.
Da war mir schon ganz schwindelig. Das erste Hotel, das wir fanden, war völlig dunkel. Das zweite war völlig überbucht. Der freundliche Portier gab uns aber den entscheidenden Tipp:
Fußballstadion.
Das hatte 11.337 Betten...
wordt vervolgd...
[2005]
Ab|horrem|zieren
So, da saßen wir nun also in der Bimmelbahn nach Aachen, der ollen Kaiserstadt, in der Karl le Grand, oder auch Charles Allemagne, wie der Franzose ihn nennt, 814 zum letzten Mal das Wurstwasser aus den dortigen Quellen trank und sich ein lecker Pflaumenmusbütterken schmierte. Naja, schmieren ließ.
Das Fahrradabteil teilten wir uns mit einer Horde halbstarker Radwandervögel, in Begleitung zweier Pädagogen. Der eine der Pädagogen war, wohl zufällig, nach der neuesten Mode gekleidet! Er trug nämlich einen Vollbart! Den hatte er aber bestimmt schon lange, bevor so ein Gesichtsschmuck hip wurde. Pädagoge NOS*, quasi.
*NOS bedeutet in diesem Fall wahlweise "Never Out of Stock" oder "New Old Stock". Lachgas hingegen scheidet aus...
Kurz hinter Köln erfuhren wir dann, daß der Bimmelbahn in Horrem die Kohlen ausgehen würden.
Das sei lange schon so geplant gewesen und die Deutsche Bundesbahn hätte das auch auf allen Kanälen kund und zu wissen getan.
Tja, leider nicht über CB-Funk!
Bevor sich jetzt hier einige Neunmalkluge mit dem erhobenen Zeigefinger aus dem kissenbewehrten Fenster lehnen und den gutgemeinten Kommentar äußern oder – schlimmer – gar denken mögen: „Na, da hätte man sich ja im Vorfeld mal informieren können...nänänänä“
Dem rufe ich entgegen:
„Was schlau machen? Aufpassen!“
Natürlich könnte ich jetzt hier aus dem Gedächtnisprotokoll rezitieren und ALLE zur fraglichen Zeit vorhandenen baulichen Tätigkeiten und den damit verbundenen Unbequemlichkeiten im Reiseverkehr der Deutschen Bundesbahn nicht nur stehenden Fußes, sondern dazu auch noch stante pede, aufzählen. Allein, es wäre sehr langweilig.
Einzig die Anmerkung im Kleingedruckten des Sonderfahrplans: „Nur bis Horrem bekohlt“, die ist mir wohl entglitten. Bestimmt war da auch überhaupt gar kein Hinweis gewesen. So.
Zumindest nicht über CB-Funk.
Von Horrem sollte dann der Ersatzverkehr (kicher) stattfinden. Mit dem Bus. Bis Düren.
Leider hatte der Bus keinen Platz für Fahrräder.
„Was für ein Stück des Glücks, daß wir keinen Kinderwagen mitführen!“
So freudig ausrufend, lagen wir uns mit den Tränen der Rührung in den Armen. So konnten wir wenigstens mit dem Rad die 30 Kilometer bis Düren überbrücken. Ob die junge Frau mit Kinderwagen und diversen Kindern unterschiedlichen Alters ein Taxi genommen hat – ich weiß es nicht.
Wir hatten allerdings vor unserer weiteren Reise, welche ja nun die erste Radetappe werden sollte, ein klitzekleines Problem zu lösen, welches sich in zwei Komponenten gliederte.
a) Wo zur Hölle liegt Horrem?
b) Wie kommt man nach Düren?
Umgehend befragten wir einen Droschkenkutscher der hiesigen Taxizentrale, der lässig an sein Taxi gelehnt, auf solche Fragesteller wie uns nur zu warten schien.
Er hatte kaum zur Wegbeschreibung angehoben, da kam leider schon ein weiterer, gerade beschäftigungsloser, Chauffeur dazu und ergänzte die Erläuterungen des Ersteren um seinen Senf.
Das verunsicherte den Ersten natürlich und die Beschreibung des Weges wurde recht konfus und zusammenhanglos.
Wir bedankten uns fein artig und fragten nach 50 Metern eine Passantin.
Die kannte den Weg aber nur über die Autobahn und wünschte uns viel Glück.
Tja. Aufs Geratewohl sind wir dann mal los. Geholfen haben bei der wirren Navigation schlußendlich teils bemooste, teils völlig zugewucherte Wegweiser. Stellenweise war die Strecke und die sie begleitende Gegend recht nett anzuschauen. Wenn mal nicht der Gegenwind gewesen wäre. Dennoch, schön, daß mal gesehen zu haben, bevor dann der Bagger aus Hambach...
Ich will die geneigten Leser auch gar nicht weiter mit nicht ganz ungefährlichen Passagen über die Landstraßen langweiligen. Nur noch soviel:
In Düren, kurz vor dem Bahnhof, ertönte von meinem Hinterrad ein „Flapp-flapp-flapp“.
Juchu! Ein Platten! Mein Erster, seit 2012!
Ein Jammer, daß ich das teamgeiststärkende Seminar für Führungskräfte „Fahrradflicken“ seinerzeit aus anderen Gründen versäumt hatte. Was hätte man da auch lernen sollen? Ich meine, „Teamgeist“ und „Führungskräfte“, das ist doch paradox!
Gottlob konnte mir der kreuzbube helfen. Ohne ihn säße ich bestimmt noch immer in Düren, mutterseelenalleine auf einem Kilometerstein, das Gesicht in den Händen vergraben, ohne Wasser, weil ich vor dem Umdrehen des Fahrrades zwecks Ausbau des Hinterrades vergaß, die Pulle aus dem Halter zu nehmen...
Nach erfolgreicher Schlauchwechselung erreichten wir dann doch noch irgendwann den Dürener Bahnhof, bestiegen einen Schienenbus, fuhren bis Aachen Hauptbahnhof, und stiegen aus.
An der dortigen Radstation erstand ich einen neuen Schlauch und presste mittels Kompressor noch etwas mehr Luft in den hinteren Pneu. Ich hinterließ den wirklich freundlichen und zuvorkommenden Kollegen ein kleines Trinkgeld und endlich, endlich, endlich, mit lächerlichen 4 Stunden Verspätung, startete unsere eigentliche Radtour nach Westen! Oder den Tod!
Halt!
Am Aachener Hauptbahnhof kamen wir noch in den Genuss einer Vorführung allererster Güte.
Ein Kleinkünstler, der in ausgefeilter Maske einen sozialkritischen Monolog darbot.
Auf einem Teppich befand sich das Genie teils im Schneidersitz sitzend, dann stehend, dann um den Teppich herum schlendernd, bald darauf liegend, knieend und alles und so.
Der Monolog selbst war eine Variation des „Hauptmann-von-Köpenick-Themas“. Weniger Nähe zu Rühmann denn zu Juhnke – wenn sie wissen, was ich meine *zwinker
Nach einer Viertelstunde war der Monolog beendet und der Künstler fing sofort – ohne Pause – wieder von vorne an. Bravo! Da Capo!
Aber dann galt es wirklich:
Nach Westen! Oder den Tod!
wordt vervolgd...
[2004]
"Heer Halewijn zong een liedekijn,
Al die dat hoorde wou bi hem zijn."
Ich dreh ja mittlerweile ganz gerne mal eine kleine Runde mit dem Rad. Bisken am Rheinufer entlang, Modenschau machen und so. Haben Sie hier vielleicht schon mal gelesen.
Der kreuzbube weiß das und machte irgendwann den Vorschlag zu einer gemeinsamen Ausfahrt über Ostern.
Er würde gerne mal Brügge sehen, hat er gesagt. Brügge! Nicht Brüggen am Niederrhein. Brügge! In Belgien! Kurz vor England!
Eine alte Volksweise spricht in einem völlig anderen Zusammenhang
„Och neen, gy dochter, neen, gy niet:
Die derwaert gaen, en keeren niet!“*
Das ist Mittelalterdeutsch und heißt soviel wie:
„Och nee, Mädchen, lass ma stecken!
Die dorthin gingen, kamen nicht zurück!“
*das sollte später noch von Bedeutung sein.
Jetzt waren wir aber keine Töchter...
Ich wäre ja schon mal dort gewesen, hat er gesagt. Und weil er kein Mittelhochdeutsch spricht, was ja dort, zumindest im nördlichen Landesteil, die Landessprache ist, hab ich mich breitschlagen lassen, mitzuradeln.
Da hab ich aber mal gleich das Wanderer mit Blumen geschmückt und mir den Strohhut aufgesetzt.
Brügge hat nämlich nur Kopfsteinpflaster zu bieten und da wäre das Wanderer mit den 40 mm (4 cm) breiten Schluppen ein geradezu prima Fortbewegungsmittel gewesen.
Auf meine Frage, ob denn in des kreuzbuben Auto auch zwei Fahräder sowie das ganze Gepäckgeraffel Platz hätten und ob man denn nun bis Brügge selbst oder in dessen nähere Umgebung mit dem Auto fahren wolle, da hat er gesagt:
„Wir fahren von Dir aus mit dem Rad nach Brügge!“
Hat er gesagt. Von mir aus...
Mit einer, bis dato, geschätzten Jahreslaufleistung von immerhin über 50 km fühlte ich mich für diese Reise bestens präpariert.
Jetzt war es aber so gewesen, daß der kreuzbube sich einen kapitalen Schnupfen eingefangen hatte.
Und weil die Landschaft hier vor der Tür der Landschaft bei ihm vor der Tür ziemlich ähnlich ist und es damit eventuell zu einer großen körperlichen Anstrengung bei landschaftlicher Langeweile kommen könnte,wurde der Entschluss gefasst: Wir fahren mit der Bimmelbahn bis Aachen und dann weiter nach Maastricht, Tongeren, Tienen, Leuven.
Natürlich nur bis Aachen mit der Bahn. Den lächerlichen Rest hätten wir mit dem Rad zurückgelegt.
Die Nieder...äh.. Holländer und Belgier, die haben nämlich Fahrradfernverbindungen allüberall. FahrradAutobahnen, quasi.
Was Fahrradwege betrifft, da gibt es nur an den Autobahnen keine. Und in Antwerpen auch nicht. Aber da wollten wir auch gar nicht hin. Wir wollten über die LF6 nach Brügge. Bis kurz vor England!
Oder den Tod.
wordt vervolgd...
[1945]
Wenn das Wasser der Ruhr blondes Pils wär -
Vielleicht wissen Sie es ja. In Düsseldorf, da zahlt man Gehalt. Nördlich davon Lohn.
Als Künstler liegt man dazwischen, man bekommt weder noch.
Da lockte mich die Vorstellung eines Quasi-Deputats, außerordentlich in die Pedale zu treten, um das im Titel genannte Volkslied auf seinen Wahrheitsgehalt zu verifizieren.
Und zwar im Hungerwinter 2014.
Aber [SERIENDRUCKFELD „krachtterm“], welch eine Enttäuschung!
Die Ruhr, Schlagader des gleichnamigen Gebietes, das war ja früher mal der Yukon von Deutschland!
Da hat man Gold gewaschen. Ach, was rede ich – aufgeklaubt hat man es! Vom Ufer!
Und da endet dann auch der Vergleich.
Die Ruhr, das ist der Aral-See von Deutschland! Hier, das Flußbett ist schon völlig eutrophisiert.
Aber, wo ich schonmal da war, da wollte ich die ganze Strecke ja auch nicht für umsonst gefahren sein.
Ich hatte zuerst etwas Angst, weil, an der Ruhr, da tut man eine ganz eine andere Sprache sprechen, woll?
Nämlich Holländisch! Das wird eine berühmte Düsseldorfer Sprachwissenschaftlerin aus der Mitte der Bourg..., hier, der Burschwa... aus der Mitte der Gesellschaft, bestätigen können.
Natürlich sprechen die nicht überall an der Ruhr ABN. Das wäre auch zuviel verlangt.
„ABN? Watt is dat-ten? Isch kenn nur ABM, woll!“ - Hör ich den/die/das ein/e/en ausrufen.
ABN, das steht für „alchemähn beß-chaaft nederlahndz“ und heißt aktuell, politisch korrekt, wohl „Standaardnederlands“, das ist quasi, so wie Hochdeutsch, aber das spricht ja auch bei uns heutzutage keine Sau mehr. Gehen Sie zur Verifizierung mal:
„[SERIENDRUCKFELD „Vollsortimenter“] gammeln.“
Dann wissen Sie Bescheid!
Und so ist das dann auch in Mülheim an der Ruhr. Da spricht man dazwischen, weder noch.
Genauer gesagt, einen niederrheinischen Dialekt mit niederländischem Einschlag. Ich habe alte Männer reden gehört, die sagten doch tatsächlich Thijssen statt Thyssen!
Da war ich aber etwas erstaunt. Denn, vielleicht wussten Sie, geneigter Leser, es gar nicht.
Aber im Ruhrgebiet, da wird ja Stahl gekocht und Kohle aus dem Berg gekloppt.
Da rauchen die Schlote, als wenn es kein Morgen gäb und man meint, der Nebel steigt direkt aus dem Boden, auf dem man steht, in die Luft herauf.
Aber nicht in Möllem!
Da haben die Nibelungen nämlich schon 1966 den Dienst quittiert.
Ich hab da mal was vorbereitet:
„Die letzte Zigarette im Schacht 8“
Tja, da waren die in Mülheim aber ganz schön verdutzt gewesen. Der schöne Aufschwung und mit ihm der erworbene Wohlstand: perdu!
Und sie haben dort lange überlegt, wie die Situation zu retten sei. So lange, daß Außenstehende schon sagten, daß die Mülheimer in Apathie verfallen seien. Aber den Mülheimern war das egal.
Die ließen da erstmal Gras über die Sache wachsen. Als die Stadt und die ganzen Industrieruinen zur Hälfte mit Gras bedeckt waren, da hat dann alles, was zwei Beine hatte, den Młotek in die Hand genommen und alles ratzeputz, kurz und klein gekloppt, was an die alten Zeiten erinnerte.
Dann ging es an den Neubau.
Als allererstes haben die Mülheimer eine Brücke gebaut. Eine große Brücke, damit die schnöseligen Düsseldorfer nicht mehr naserümpfend durch Mülheim fahren mussten, auf ihrem Weg nach Essen, wo sie sich regelmäßig bei Kruppens ihre Dividenden abholten.
Die große Brücke
Schnöseliger Düsseldorfer (ich habe das s/w Foto nachcoloriert, das macht man ja jetzt so)
Danach, als Ruhe im Ort war, haben die Mülheimer die ganze Stadt neu gemacht. Und zwar – jetzt kommt der Clou, der clevere Schachzug – alles auf alt! So richtig alt!
Nix mit Zweckbauten! Alles Zuckerbäcker! Überall Gedöns, Zinnober und Schnickschnack an die Fassaden!
So, als hätte es den Bergbau und die Montanindustrie niemals nicht gegeben in der Stadt.
Das war natürlich, weil die Mülheimer ein bisschen so sein wollten wie die Düsseldorfer.
Hier stand mal ein Förderturm
Baiser für den Kaiser
Ein anderer Aspekt des Ruhrgebiets, ist natürlich die Diktatur des Proletariats. Vorerst ausgeübt durch die Deutsche Kommunistische Partei ( DKP), die alle Bürgermeister im Ruhrgebiet stellt.
Und so war ich dann auch mittenmang in Ost-Berlin, am Palast der Wind..äh,
am Palast der Republik.
Leider hat sich gar nicht der Berliner Dom darin gespiegelt, im Palast der Republik.
Ich musste aber nur kurz zur Freiheit, zur Sonne blicken:
„Wat is dat-ten?“, entfuhr es mir. Sie, geneigter Leser, merken, ich war schon voll assimiliert.
Ja, was war das? Der Mülheimer Dom? Der Storchenturm? Der Feuerwehrschlauchtrockenturm?
Richtig neugierig geworden war ich und bin mal gucken gegangen, wer sich da so eine komische Bude gebaut hatte.
„Hier wohnen, lieben, streiten und versöhnen sich Mucaco, Jamila und Bilal“ – aha!
Das konnte natürlich nicht stimmen, denn: es war ja gar kein Salzteig gewesen!
Darum lautet es wohl eher: „Hier wohnt König Mucaco Jamila Bilal a.D. (außer Dienst – Anm. d. Red.) 6.8.13“
Die Hütte war also verwaist.
Und ganz ehrlich, das war auch kein Wunder! Ein König mit nur drei Zacken in der Krone, das giltet nicht! Drei Zacken, das ist ja quasi nix. Narrenkappe vielleicht. Mit beiden Augen zudrücken!
Und das war auch völlig logisch, wenn doch die DKP die Diktatur des Proletariats – und dann noch im Verbund mit all den Bürgermeistern aus den Reihen der DKP, nicht wahr.
Abgesetzt werden sie ihn haben, den Hallodri Mucaco Jamila Bilal. Und zwar am 6. August 2013, nehme ich an. War ja vielleicht, was das Königtum betraf, ein Normbrecher, oder so, der Unterdrücker Mucaco Jamila Bilal.
Gut, ich war also spät dran gewesen. Und dazu noch zu spät, um eine Audienz zu ergattern.
Man kam da nicht rein.
Hab ich also das Fahrrad abgestellt.
und mich mal drumherum umgeguckt.
Also, ganz ehrlich, ich hab ja gedacht gehabt, daß das auch der Turm vom Fräulein Dornröschen gewesen hätte sein können.
So ungepflegt war der Garten. Ich meine, das ist doch kein Zustand! Da muss die DKP nochmal nachbessern, also ehrlich! Auch wenn der Turm irgendwann mal für den Bismarck oder dem seine Heringe gebaut worden war.
„Sooooo wird das nix mit dem sozialistischen Paradies, auf Augenhöhe mit Düsseldorf!“
Das hab ich natürlich ganz laut, so wie das nämlich meine Art ist, geschrien.
Aber sofort hatte ich es auch bereut, denn ich war ja gar nicht in den eigenen vier Wänden daheim, unter der Dusche, sondern in einer ganz anderen Stadt gewesen. Dazu noch draußen. Da hatte ich etwas Angst, daß die aus dem Ort mich verkloppen wollten und hab aber ganz schnell zugesehen, daß ich Land gewinne.
Schon waren mir die ersten Einwohner auf ihren Rädern im Nacken gesessen.
Tjonge, das war vielleicht eine Hatz!
Ich alleine da vorne auf dem Eisenhaufen und hinter mir die Mülheimer Meute.
Meine ausgeklügelte Taktik: Treten, was das Zeug hält. Trimming 180 plus, sag ich jetzt mal so.
Kurz, bevor mein Herz explodierte, nahm ich das Tempo raus, denn ich rechnete damit, daß die Meute mich einholen und übelst zusammenschlagen würde. Im Zweifel mit dem Młotek. Oder noch schlimmer: mich zur Rede stellen!
Da wäre dann mein Körper aber schon längst wegen Überlastung in den Stand-By gegangen und es hätte nicht mehr so ganz doll weh getan.
Aber, welche Frechheit!
Sind die doch einfach an mir vorbei gedonnert, die Lümmel!
Gut, die waren ja wie eine Wand und hatten also demzufolge keinen Gegenwind. Und außerdem wogen die alle zusammen, mit den Rädern, ja genauso viel wie mein Fahrrad alleine.
Da konnten die ja auch nicht so einfach anhalten, ohne daß sie über die Lenker einen oder mehrerere Salti getan hätten, die halben Hähnchen, nicht wahr.
Blitzgescheit hab ich die Konfusion für mich genutzt und denen ein Schnippchen geschlagen! Ich bin nämlich über die seitlich der Hauptstraße gelegene, von Spaziergängern, deren Zahl Legion war, bevölkerten Streuobststraße entschwunden.
Die Streuobststraße hat ihren Namen von den festgetrampelten und teilweise fossilen aber auch ganz frischen
Pferdeäpfeln.
Wie der Wind bin ich da durch. Und wenn Sie, geneigter Leser, an jenem Tag in Mülheim selber unterwegs gewesen sein sollten, dann sind Ihnen vielleicht die vielen Menschen mit Sommersprossen...
Wer wissen möchte, was das mit der Türmerei denn überhaupt sol, dem empfehle ich Gravel Racer
[1922]
Neujahr
Was macht man denn so am ersten Januar?
Richtich! Ausschlafen. Und dann testet man die Pannensicherheit der Fahrradschluppen, weil man über den ganzen Sylvester-Unrat und geleerte und auf der Straße hinterlassene Sektpullen drüber rumpeln muss, weil das ganze asoziale Gesockse seinen Müll nicht weggeräumt hat.
Ja, fassen Sie, geneigter Betrachter, sich ruhig an die eigene Nase!
- Vorsatz: Publikumsbeschimpfung ✔
Am Rhein wurde es dann besser.
Sonst staut es sich ja oft, aber heute waren hier nur die Leichen vom Vortag noch auf den Bänken übrig.
Das ist ja das Tolle am Neujahrstag: Schöne Stille
und man kann Ausschau halten, auf das, was das neue Jahr wohl so bringen wird.
Oder Fahrrad fahren. ✔
und fahren ✔
sich das Revier (von weit weg) angucken ✔
und Fahrrad fahren ✔
In entspannter Atmosphäre in Krefeld kein Bier trinken. ✔
Sich auch mal nicht über die Krefelder Radwege ärgern. ✔
Im Halbdunkel radeln. ✔
Im Dunkeln radeln. ✔
In Meerbusch die Glühwürmchen angucken. ✔
Sich auch mal in Oberkassel blicken lassen. ✔
So, Vorsätze abgearbeitet.
Neujahr
Was macht man denn so am ersten Januar?
Richtich! Ausschlafen. Und dann testet man die Pannensicherheit der Fahrradschluppen, weil man über den ganzen Sylvester-Unrat und geleerte und auf der Straße hinterlassene Sektpullen drüber rumpeln muss, weil das ganze asoziale Gesockse seinen Müll nicht weggeräumt hat.
Ja, fassen Sie, geneigter Betrachter, sich ruhig an die eigene Nase!
- Vorsatz: Publikumsbeschimpfung ✔
Am Rhein wurde es dann besser.
Sonst staut es sich ja oft, aber heute waren hier nur die Leichen vom Vortag noch auf den Bänken übrig.
Das ist ja das Tolle am Neujahrstag: Schöne Stille
und man kann Ausschau halten, auf das, was das neue Jahr wohl so bringen wird.
Oder Fahrrad fahren. ✔
und fahren ✔
sich das Revier (von weit weg) angucken ✔
und Fahrrad fahren ✔
In entspannter Atmosphäre in Krefeld kein Bier trinken. ✔
Sich auch mal nicht über die Krefelder Radwege ärgern. ✔
Im Halbdunkel radeln. ✔
Im Dunkeln radeln. ✔
In Meerbusch die Glühwürmchen angucken. ✔
Sich auch mal in Oberkassel blicken lassen. ✔
So, Vorsätze abgearbeitet.