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Montag, 27. Mai 2013
(c) eric prieditis
Der schalt-faule Sack

Wie Sie, geneigter Betrachter, vielleicht schon bemerkt haben mögen:
ich male nicht mehr, ich fahre jetzt lieber Rad.
Das spart auch eine Menge Geld.
Naja, nicht ganz. "Die prieditis, die ist so ßterk, die macht immer was kapütt".
Das Geld, was zuvor in Malmaterial floss, das bekommt halt jetzt der Fahrradzubehör- und Ersatzteilhändler.

Und die Welt sieht draußen doch tatsächlich so aus wie im Guglhupf-Straßenblick!
Total jeck! Hatte ich schon fast vergessen...
Um das aus einem früheren Leben stammende Klischee des Ruhrgebietes zu verifizieren, bin ich losgeradelt.

Das Ruhrgebiet, das ist nämlich eine rußige, versmogte Gegend. Überall qualmen die Schlote, was das Zeug hält, trotz Rauchverbot (sogar auf dem Spielplatz, aber ich weiß nicht, ob das auch nachts gilt, wenn die Jugendlichen dort sind) und des Nachts, da liegt ein rotes Glühen über den Städten. Weil da nämlich Stahl gekocht wird!

(c) eric prieditis
Der Stahl für Fahrräder, zum Beispiel.

In Holland, also, den Niederlanden. In Holland also, da gibt es dieses Glühen auch. Das kommt aber davon, weil die Gewächshäuser nachts beleuchtet sind. Die Tomaten und Paprika, die wachsen in den Nieder..., also in Holland, im Drei-Schicht-Betrieb. Auf Watte und Nährlösung. Mit Kunstlicht. Und unter Begasung. Ich glaub, ich muss da mal irgendwann hin und Ihnen berichten. Wenn ich genug Kraft, Muße und überhaupt die gute Grille für so eine Runde habe.

(c) eric prieditis
Holland *Serviervorschlag

Diesmal also zunächst das Ruhrgebiet. Das liegt auch praktischerweise gleich vor den Toren des hiesigen Oberzentrums.
Erst hab ich aber in den Gugelhupf-Straßenblick geguckt. So eine Abenteuerreise in den undurchsichtigen Nebel, die will ja vorbereitet sein. Und tatsächlich!
Nebel! Im Computer war lauter Nebel im Ruhrgebiet zu sehen. Komischerweise manchmal örtlich begrenzt. Das kommt bestimmt daher, weil die im Ruhrgebiet mit Kohle heizen. Das qualmt ja so doll. Und dann kommt kein Sonnenlicht ans Haus und dann bleibt das Haus natürlich kalt und dann muss man mehr heizen und es qualmt mehr. Ein Teufelskreis!
Naja, das hat mich natürlich nicht abgeschreckt. Und dann ab die Post aus dem grünen Oberzentrum in eine ganz andere Welt, ein Niemandsland kurz vor dem Ruhrgebiet, da, wo der Volksmund drüber sagt, dort stünden Papageienhäuser und man ließe besser die Plastekappen auf den Ventilen (kleiner Insider)...
Jetzt hat die dort zuständige Wohnungsbaugenossenschaft aber richtig Geld in die Hand genommen, für die Verschönerung.
Denn im hiesigen Oberzentrum sind die Mieten ein bisschen gestiegen und junge Familien wollen ja auch irgendwo hübsch wohnen können.

(c) eric prieditis
Papageienhaus, Ratingen-West

Und den ganzen Beton, den haben die mit einer aufwendigen 3-D-Projektion in ein sattes Grün verwandelt.

(c) eric prieditis
3-D-Projektion

Ich ließ mich aber nicht ablenken, vom eigentlichen Plan, das Ruhrgebiet zu erkunden und bin

(c) eric prieditis
zügig pedaliert.

Ich fand noch nicht einmal die Zeit zum Schalten. Denn es ist auch etwas unpraktisch gelöst, das mit diesen winzigen Hebelchen, ohne Schaltkulisse und so. Bevor man das Hebelchen da unten, kurz vor der Tretkurbel, irgendwo gefunden hat und verstellen kann, bevor man sich auf die Nase legt... ich sage Ihnen...

Dann kam endlich die Grenze!

(c) eric prieditis
Man erkennt ganz gut das Niemandsland,
die Grenze zum Ruhrgebiet. Das Bild ist schon leicht verschwommen, vom Qualm und der flirrenden Hitze der Hochöfen der Montanindustrie!

(c) eric prieditis
Und Schilder, wie bei jeder ordentlichen Grenze, die gibt es natürlich auch.

Das mit den Wegen, das ist ja so gekommen:
In den Hochöfen, da werden Steine verbrannt. Die schmelzen dann und dann hat man Eisen, zum Beispiel für

(c) eric prieditis
Fahrräder.

Außer Eisen bleibt dann noch so ein großer Rotz übrig. Den nennt man Schlacke. Das kennen Sie vielleicht vom Fußball. Nein, nicht „Schlacke 04“, das ist nur so eine Verballhornung. Ich meine die Spielfläche und damit natürlich auch keinen Rasen, vielmehr denke ich an die gute alte Hansaplast-Kampfbahn, wo jeder regengetränkte, handgenähte Ball beim Kopfball böse Verletzungen – von der Blutgrätsche mal ganz zu schweigen.

Also, die Schlacke, ne, die lässt man dann einfach so aus dem Hochofen rauslaufen, verstehen Sie? Und dadurch ist im Ruhrgebiet das Wegenetz entstanden. Das man dadurch keine ganz ebenen Flächen hin bekommt, das leuchtet natürlich ein. Aber besser, man hat darauf hingewiesen, bevor ein fieser Abmahnanwalt darin noch ein Tätigkeitsfeld entdeckt.

Da hab ich aber im Vorfeld gar nicht daran gedacht, daß die Straßen drüben gar nicht aus Glas sind, wie hüben üblich. Und das war vielleicht ein Fehler, mit 8,5 bar im Reifen...
Aber ich war dann doch positiv überrascht! Hat gar nicht weh getan.
Erstmal.

Erstmal nämlich war da alles grün! In echt! Nix mit 3-D-Projektion auf Beton. Alles echtes Chlorophyll!!! Im Ruhrgebiet! Hallo?
Erst hab ich gedacht, da hätte so ein Spaßvogel, respektive jugendlicher Gammler, das Ortsschild einfach mal im Überschwang versetzt. Aber dann hätte jener Spaßvogel auch alle authentischen Autos ( Granada, Capri, Käfer, Golf, BMW (3er), etc.) mit dem passenden Kennzeichen versehen müssen. Muss also gestimmt haben, mit dem Ruhrgebiet.

Dann wurde es endlich, endlich grau. Genauso wie im Klischee.
Erstmal habe ich eine Schlackemauer entdeckt. Da hab ich mal ein

(c) eric prieditis
Foto von gemacht.
Ich war ja total verunsichert, von wegen dem vielen Grün. Wer hätte denn gewusst, ob da überhaupt noch was Graues gekommen wär – die demographische Geschichte mal ausgenommen.

Was die Chose mit den Eingeborenen betrifft: Da gabs keine!
Ich hatte bis dato keine einzige Menschenseele getroffen.

Vielleicht, war ja Pfingsten, waren die alle in der örtlichen

(c) eric prieditis
Schlackekirche
gewesen?
Das war schon kurios, so eine bayrische Barockhaube auf dem Turm zu sehen. Leider konnte mir keiner der Eingeborenen Auskunft erteilen – war ja keiner zu sehen. Aber es gab eine Tafel am Turm, die erklärte, warum die Kirche einen bayrischen Barockturm trug. Das war nämlich so gewesen:
Die derzeitige Kirche, die wurde 1925 gebaut (aus Schlacke). Davor gab es bereits eine Kirche, aber die war irgendwie kaputt gegangen (bestimmt war die aus Grauwacke). Aber die Möbel, die waren wohl noch gut gewesen, viel zu schade für den Sperrmüll oder den Drogenberatungsstellensecondhandladen.
Und dann hat man von außen, gut sichtbar, den Turm im Stil der Möbel verziert.
So hab ich mir das von links und rechts angeschaut, als mir der erste Bewohner begegnete!
Leider kein Mensch, sondern wohl eher eine Nachfolgepopulation. Ein echtes Wildtier!
In Brandenburg gibt es doch auch wieder Wölfe, weil der Mensch dort auf dem Rückzug ist.
Hier nun war es ein übelst gefährlicher Marder

(c) eric prieditis
Mustelidae Duisburginensis

Und das macht ja auch Sinn. Denn wenn die Menschen wegbleiben, dann holt sich die Natur alles wieder zurück. Das ganze Grün macht dem Grau den Garaus. Und wo sollte das nicht schneller geschehen, als wie bei den Kirchen, die ja nur noch einmal im Jahr, zu Weihnachten, geöffnet haben.
Das konnte man gleich neben der Schlackekirche schön beobachten. Dort, an der Ruhr, lag die ehemalige

(c) eric prieditis
Dombauhütte.

Oder, war es vielleicht ein Bergwerksschacht? Im Ruhrgebiet wird schließlich nicht nur Stahl gekocht, sondern auch Kohle aus der Erde geholt. Die braucht man, wie oben beschrieben, für die Heizung. Oder eben für den Stahlkocher. Oder, noch ebener, für die Verstromung, damit in den von der Kohle zugenebelten Häusern, wo kein Sonnenschein hinkommt, auch mal ein bisken Licht drin ist.
Die Kohle lag früher direkt auf der Erde und musste nur aufgesammelt werden. Dann musste man, wie die Karnickel, Löcher in die Erde buddeln. Mittlerweile hat man so tief gegraben, daß die Kohle für die Kohleöfen – egal ob Stahl, Heizung oder Strom – aus China durch die Schächte nach Europa gebracht wird. Jeck.

Als ich dann so in Gedanken durch die Gegend pedalierte, wusste ich mit einem Male, wo die Menschen alle waren, die ich zuvor vermisste.
Eine Pfingstpolonäse hatten die gemacht!

(c) eric prieditis
Und zwar angezogen in der historischen Nibelungentracht, wie sie bereits von Waltharius beschrieben wurde.

(c) eric prieditis
Hier ein Foto von „König Gunther“,
begleitet von Högni, den man hierorts wohl besser als Hagen kennt. Nibelungen, das heißt eigentlich „Volk aus dem Nebel“ - na also, passt ja wie die Faust aufs Auge!

Und wo eine historische Formation sich versammelt, da ist bestimmt auch eine

(c) eric prieditis
Kirmes!

Da war ich aber nun wirklich hoch erfreut! Ich bin auch gleich mal zum Fahrgeschäft, an dem sich die örtliche Haute-Volée versammelt hatte und habe mich mal gleich dort bei denen vorgestellt und ein Lied zur Begrüßung geträllert

Ja, und dann bin ich ganz schnell weiter.
Quasi, wie der Blitz durch die

(c) eric prieditis
grüne Hölle.

(c) eric prieditis
Hier können Sie, geneigter Betrachter, es sehen. Wie der geölte Blitz!

Ich wollte nur weg von dieser völlig falschen Welt der feinen Gesellschaft am Auto-Selbstfahrer im Ruhrgebiet, das anscheinend doch nicht so grau und schmutzig war, wie ich es aus den Medien des FWU, vorzugsweise auf Super-8 Schmalfilm aus der Schule in Erinnerung hatte. Obwohl ich schon noch ein bisken Angst hatte, daß mein Hemdkragen am Ende der Fahrt eine schwarz-gräuliche Färbung annehmen könnte. Vonwegen der Grobstaubbelastung, verstehen Sie?

Auf der Flucht hatte ich dann noch einen kurzen Moment der Erinnerung an den kalten Krieg.
Ein von jedweder Fürsorge jedweder Straßenmeisterei völlig

(c) eric prieditis
vernachlässigtes Schild,
ließ mich spontan an „Die letzten Kinder von Schewenborn“ denken.
Ich habe mich ein wenig gegruselt. Da wollte ich nur noch umso schneller zurück, in das Oberzentrum.

Kaum angekommen, war natürlich sofort

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Stau.

Dem konnte ich aber, dank profunder Ortskenntnisse, entgehen.
Ich wählte die wenig bis gar nicht befahrene Strecke über den Rhein-Deich.
„Der lügt doch! Dort herrscht ein Betrieb wie morgens am Mörsenbroicher-Ei!“ - werden die verkehrsfunkerfahrenen, mittelwellenhörenden Leser jetzt rufen.Damit man mir das glaubt, habe ich Beweisfotos gemacht:


(c) eric prieditis
Beweisfoto 1

(c) eric prieditis
Beweisfoto 2

Erst im Oberzentrum selbst, da hab ich dann wieder wen gesehen. Und zwar jugendliche Gammler, mit bunten Haaren und liederlichen Bekleidungsstücken. Ein Großteil derer war sogar mindestens angeschickert. Ein richtiges Nest! Es waren so Nachahmer von Manga-Helden gewesen. Dabei war der Japantag doch erst für den Samstag NACH Pfingsten geplant. Bestimmt war das so eine Form des rechtzeitigen Vorglühens?
Ich habe davon kein Foto gemacht, nachher sehen das die Eltern und schimpfen dann mit dem ausgelassenen Feiervolk. Und wie die Manga-Figuren aussehen, das wissen Sie ja alle. Eben wie Heidi, Biene Maja, Pinocchio, Captain SharkyFuture. Etc...

Naja, und dann hab ich doch noch ganz normale Menschen gesehen...

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