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Samstag, 10. Mai 2014
Visé ma tenten und Kipbillen met appelmoes (en mayonnaise)
[2006]
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Von nun an gings bergab...
Quatsch! Bergauf! Bergauf ging es! Und wie!
Aachen, das ist recht hügelig. Das hängt mit der Topographie zusammen. In Aachen, da fährt man eigentlich immer irgendeinen Hügel hinauf. Nicht schlimm, aber dafür stetig. Und der Gegenwind, der war ja auch noch da. Immerhin lockten vielversprechende Schilder mit dem Hinweis, daß bald mal die Niederl... äh, also, Holland, kommen müsste.
Wir wählten für unsere Weiterfahrt gen Maastricht die gute alte Bundesstraße 1.
Das ist nämlich die älteste und längste Straße der mir bekannten Welt, wenn nicht gar Deutschlands gewesen. Die geht nämlich bis kurz vor Moskau. Und damit meine ich nicht den Großraum Berlin!
Der Holländer hat sich die deutsche Technik dann irgendwann mal zu Nutzen gemacht und einfach, so ganz ohne Beachtung jeglicher Urheberrechte, seine Nationalstraße 278 an die gute alte B1 angebaut. Verlängert, quasi.
Das war für uns dann ganz schön praktisch gewesen. Und weil die Niederl... äh, also, Holland ja topfeben ist, hatten wir uns schon auf ein gemütliches Weiterkommen gefreut.
Ja, denkste!

Aber erstmal ein herzliches Willkommen im Land von Simone

Was dem Deutschen der Peter, das ist dem Niederländer die Simone (die oben verlinkte Band hat mal freien Eintritt für Mädchen mit dem Vornamen Simone eingeführt. Nach den ersten Konzerten wurde es auf die ersten zehn Simone begrenzt. Wister bescheid...).

Gleich ab Vaals (Vogel-V) gings weiter mit der Steigerei. Und um es den Radfahrern mal so richtig zu zeigen, haben die doch tatsächlich nach jeweils 100 Metern so kleine Schilderkes aufgestellt, auf denen vermerkt war, daß man gerade genau 100 Meter zurückgelegt hatte. Das geht ungefähr 23 Kilometer so. Da muss man die Nerven behalten!
Aber was für Radwege! Der Wahnsinn! 20 Meter breit auf jeder Spur. Sogar an den Hauptverkehrsadern! Da sollte der Deutsche mal ruhig Fünfe gerade sein und den Urheberrechtsschutz Urheberrechtsschutz sein lassen und das mal einfach kopieren.
Man sollte da mal einen Antrag... (wir wissen natürlich alle, daß daraus nix werden kann. Das hängt mit den Strukturen der öffentlichen Hand zusammen – kannste nix machen.) Vielleicht würde es aber auch schon genügen, die vorhandenen Radwege zu sanieren!!! Also, Brennessel wegmachen und Wurzelblasen fräsen. Aber damit kann man ja bekanntlich keine Wahl gewinnen. Dann als Politiker lieber mit den Medien im Schlepptau ein Bändel mit der Schere unbeholfen durchschnippeln und eine neue Route eröffnen, die dann nach 2 Jahren mit Brennessel und Wurzelblasen... ach, egal.

Die Verkehrsverhältnisse in Holland waren recht belebt. Da gab es glückselig lächelnde Senioren, die mit ihrem elektrisch unterstützten Omafiets (Hollandrad) die Hügel stürmten. Es gab auch trainingsanzugbeschürzte Halbstarke auf Rädern mit der vorderen und hinteren Acht in den Felgen und, und, und. Und alle sind sie da hoch pedaliert. Ganz besonders in Erinnerung blieb mir ein vielleicht 12 Jahre altes Mädchen mit einem Rucksack im Schottenkaro-Desseng, daß auf ihrem Omafiets den Hügel erklomm. Sie nutzte dabei die volle Breite des Radweges, pendelnd von links nach rechts und umgekehrt. Respekt!
Naja, irgendwann war die Schneekoppe überwunden und es ging dann doch noch bergab. Hinein in die älteste Stadt der Niederlande:

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Maastricht

D´Artagnan hat sie übrigens nie (weder die Sadt noch das Foto) gesehen. Nur von aussen (die Stadt). Dann wurde er tot gemacht. Aber davon später mehr.
Wichtiger für mich:
Wenn in meiner Kindheit von Maastricht gesprochen wurde (also, eigentlich wurde von „Meschtresch“ gesprochen), dann wurden immer, wirklich immer, im gleichen Atemzug „Bonnefanten“ erwähnt. Menschen, die sich gegenseitig anschauen, wohlwissend zunickend „Aaah, Bonnefanten!“ zurufend.
Ich hab ja immer gedacht, das wäre sowas wie der Telefant mit Michael Schanze, nur mit Bassie und Adriaan und auf nieder...holländisch, oder so. Oder Fabeltjeskrant.
Jedenfalls irgendwas mit bunten Elefanten.
Aber: Keine Zeit für große Erkundungen. Wir lagen ja weit hinter unserem Zeitplan zurück. Also nur kurz die Maas angeguckt und weiter.
Und rubbeldikatz waren wir dann auch schon in Belgien. Hätte man gar nicht gemerkt, weil, Grenzstationen gibbet ja gar keine mehr. Einzig der Straßenbelag verriet das ganz andere Land.
Und natürlich die Musik!

Bonjour Belgique!
Wir waren nämlich über die Wallonie ins Land eingetrudelt. In der Wallonie spricht man übrigens französisch (Merksatz).
Wir durchmaßen die Randgebiete des Städtchens Visé. Dieses Städtchen ist so bemerkenswert, weil es Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat.
Und das kam so:
Früher, da war Visé das Zentrum der Bautechnologie für Belgien. Man hat da Zelte gebaut. Weltmarktführer war man. Und das, obwohl die dort keinerlei Logistikzentren besaßen.
Darum mussten die Kunden sich die Zelte dort immer selbst abholen. Eine frühe Form des sogenannten „Outlet“, Fabrikverkauf, quasi.
Aber es gab auch keine Hinweisschilder, wo denn nun der Fabrikverkauf gewesen wäre.
Und darum riefen die Kunden am Stadttor immer: „Visé! Ma tent?“ (Visé! Wo ist mein Zelt?“)
Auch viele deutsche Kunden holten dort, nach einem beschwerlichen Weg, (zum Beispiel über die blöden Hügel von Vaals!) ihre Zelte ab. Und im Laufe der Jahrhunderte kam es dann zu einer Verballhornung im Deutschen: „Fissematenten“
So war das.
Heute ist Visé das Zentrum der belgischen Betonherstellung. Und Belgien braucht viel Beton!
Zum Beispiel für alle Nebenstraßen und Radwege.
Über diese Nebenstraßen und Radwege sind wir dann kreuz und quer durch die Gegend gegurkt.
Es gab auch viel Grün abseits der Wege, sogar in diversen Nuancen.
Wir hätten bestimmt auch das ein oder andere Mal gehalten, für zum gucken. Allein, es fehlte die Zeit.
So haben wir dann nur nach den Radwege-Hinweisschildern geguckt.
Und das, alle Achtung, haben die mal fein hingekriegt, in Belgien. Vielleicht kennt der geneigte Leser die deutsche Variante der Radwege-Hinweisschilder? So blasse, beige-graue Täfelchen in der Größe eines gefalteten Papiertaschentuches.
In Belgien, mein lieber Scholli, da sind die RIESIG! Und überall stehen Zahlen drauf, mit Richtungspfeil.
In Belgien, da hat nämlich jede Kreuzung, wo mindestens zwei Radwege aufeinandertreffen, eine Nummer. Und die ist auf den Schildern immer ausgewiesen. Toll! Braucht man nur noch eine Karte, wo die Lymphknoten aufgezeichnet sind – kannste Dich kaum noch verfahren.

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Knotenpunktschild

Und dann hatten wir die Sprachgrenze überfahren und waren mittenmang in der ältesten Stadt von Belgien:

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Tongeren, gegründet 1680

Tongeren ist berühmt für ein einzigartiges Bauwerk der Neogotik, welches es so kein zweites Mal auf der ganzen weiten Welt geben tut:

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Der schiefe Turm von Tongeren, erbaut von Lennard van Wintsje

Dort haben wir dann auch unser Abendbrot zu uns genommen.
Hähnchenschlegel mit Apfelmus und Fritten. Die dazu angebotene Mayonnaise haben wir ausgeschlagen.
Die Hähnchenknochen über die Schulter werfend sind wir dann weiter, wir wollten ja eigentlich noch nach Leuven.
Das haben wir dann aber nicht mehr geschafft. Es war ja schon dunkel und eigentlich muss ich dann immer zu Hause sein. Wir sind dann immerhin noch bei einsetzendem Regen in St. Truiden angekommen. Dort sind wir dann auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit 5 Mal um die Kirche gekreist.

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Da war mir schon ganz schwindelig. Das erste Hotel, das wir fanden, war völlig dunkel. Das zweite war völlig überbucht. Der freundliche Portier gab uns aber den entscheidenden Tipp:
Fußballstadion.
Das hatte 11.337 Betten...

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wordt vervolgd...