(c) - POP SKURRILIST - Feine Qualitätskunst seit 2007
Dienstag, 27. Mai 2014
Bein rauf, Bein runter

(c) pop skurrilist
[2010]

Die letzte und längste Etappe stand am fünften Reisetag an.
Von Leuven über Maastricht nach Aachen, ca. 150 km.
Mit, der geneigte Leser ahnt es, Gegenwind.

(c) pop skurrilist
Wir verabschiedeten uns von Goethe und Schiller, die ja ihre besten Jahre in Leuven hatten,
und fuhren in den Wald, den wir ja schon vom letzten Besuch kannten.

(c) pop skurrilist
Wald

Bein rauf, Bein runter

Kein Blick für das nuancierte Grün der Gegend. Die Augen konzentriert auf die anspruchsvolle Streckenführung gerichtet, mit dem Gedanken: „Mann, bitte nicht schon wieder einen Platten!“
Bein rauf, Bein runter

Ich nehm´s vorweg: Die Schluppen haben gehalten!
Bein rauf, Bein runter

(c) pop skurrilist
Am Knotenpunkt 76, wo wir uns einige Tage zuvor verfahren, also, den Rundkurs wählten,

habe ich zu Ehren der Teilnehmer des "Concours des Corbeaux" ein Denkmal hinterlassen.
Die Namen habe ich rückseitig vermerkt und weil ja Ostern gewesen war, fiel die Motivwahl recht eindeutig leicht.

Was der "Concours des Corbeaux" war und/oder ist, das liest der geneigte Leser an folgenden Stellen:
Concours des Corbeaux, 1
Concours des Corbeaux, oder: Die Spur der Steine. Vorabend und Prolog
Concours des Corbeaux: Tag 1 auf der via apia
Concours des Corbeaux, Tag 2 auf der via apia
Concours des Corbeaux, Tag 3 auf der via apia
Concours des Corbeaux, Epilog
und hier aber auch:
Concours des Corbeaux - Die Fundorte

Bein rauf, Bein runter

Vielleicht weiß es der geneigte Leser, in Belgien, da sind alle Radwege miteinander verbunden und jeder Kreuzungspunkt hat eine Nummer. Man tut gut daran, sich zumindest die Knotenpunkte zu notieren. Dann kommt man ohne große Unterbrechung voran. Wenn man aber mal auf die Schnapps-Idee verfällt, eventuell 500 m abkürzen zu wollen, dann können daraus auch gerne mal 5 km Mehrweg werden.
Wir haben das empirisch in mehreren Feld(sic!)versuchen getestet und bewiesen!
Nach einer dieser wissenschaftlichen Versuche gelangten wir in Hoegaarden an ein Café (in Belgien heißen die Kneipen immer Café, damit die Männer das besser vor ihren Frauen argumentieren können. Ich meine, was klingt wohl besser: „Schatz, ich geh in die Kneipe.“ oder „Mausi, ich geh ins Café.“ - na also.)
Also, wir da so am Café vorbei, fiel mir ja gleich der Grill auf, der am Straßenrand aufgebaut war. Der kreuzbube hatte nur Augen für andere Fahrräder.

(c) pop skurrilist
Wir haben uns dann dazu gesellt

und ein wenig smalltalk mit den Bewohnern gemacht und eins dieser Hoegaardener Biere getrunken, welches mit Koriander und Orange „gewürzt“ ist.
Andere Radfahrer hatten sehr schicke Trikots mit Brauerei-Aufdruck. Die gibt es aber gar nicht zu kaufen. So blaue, mit „Hoegaarden“-Druck. Wenn der geneigte Leser zufällig eins hat – her damit!

Im Übrigen möchte ich noch erwähnen, daß ich ein klein wenig enttäuscht war, von Belgien!
Was hatte ich dem kreuzbuben nicht alles erzählt, von den sanitären Standards!
Ist mir ja schließlich nicht nur einmal begegnet, daß das Klo nur durch einen Vorhang vom Rest der Wohnung getrennt ist.
Konnt ich ihm aber nicht zeigen. Alles tippitoppi! In Belgien! Jeck...

Aber im gemütlichen Dorfcafé mit den freundlichen Gästen, da war ich dann wieder mit Belgien versöhnt.

(c) pop skurrilist
Sanitär

Jau, und dann wieder rauf aufs Rad.
Nicht, ohne den Gästen ungefragt mitzuteilen, daß wir noch bis Aachen fahren wollten.
Da hatten wir ihnen als kleines Gastgeschenk noch netten Gesprächsstoff hinterlassen.

Bein rauf, na der geneigte Leser ahnt es bereits, Bein runter

Ein paar empirische Feldversuche später entschieden wir dann endgültig, nur noch nach Knotenpunkten zu fahren.
Es hat sich gelohnt! Und weil es so viel zu sehen gab, nämlich Gegend, und wir, der kreuzbube und ich, große Freunde von Gegend sind, haben wir öfter mal gehalten und einfach nur geguckt.
Einfach so, und die Gegend wirken lassen. Ohne Foto, ohne Worte.
Einfach mal auf die Streuobstwiese gesetzt und nix gedacht – nur ein Eis geschleckt und Pipi gemacht und so.

(c) pop skurrilist
Auch Dorffeste haben wir geguckt.

Dann wieder weiter, Bein rauf, Bein – AUA!

Auf einmal zwickte es ungemein im starken rechten Bein bei mir.
Das war ja blöd.
Das war wirklich blöd, weil, es zwickte wirklich ganz arg doll!
„Fahr weiter, die Mission ist wichtiger! Ohne mich kannst Du es schaffen!“, das lag mir auf den Lippen. Aber dann hab ich mich zusammengerissen und den Schmerz ignoriert.
Erstmal.
„Den fahr ich weg, den Schmerz!“, hatte ich für mich beschlossen.
Bestimmt nur eine leichte Überanstrengung.
Ich glaub, ich hab dann auch gar nicht mehr geredet und nur noch Contenance bewahrt.
Und nur noch ein Bein belastet. Das andere lief dann mehr so mit. Wenn ich nicht die Kurbel bewegte, zum Beispiel beim bergab rollen, dann gings ganz gut. Aber dann wieder zu treten, das war echt nicht lustig. Nach 10 Kurbelumdrehungen wurde es dann besser, mit dem äusseren Meniskusriss.
Da war bestimmt was drin gewesen, in den 250g Nudeln mit 250g Soße und 100g Käse, die wir in Tongeren verdrückt hatten. Das hat mir das Wadenbein gebrochen.
Naja, dann kamen wir irgendwann bei einsetzendem Regen in Maastricht an.
Da ist ja alles mit glasierten Ziegelsteinen gepflastert. Kann der geneigte Leser sich ja denken, daß das mitunter etwas rutschig ist. Dauernd anhalten, Fuß absetzen, wieder anfahren, mit dem fast amputierten Bein... Leck-o-mio
Ist aber nix passiert.

(c) pop skurrilist
Dem D´Artagnan aber schon.

Der hat sich nämlich vor Kummer, weil er auf den glasierten Ziegelsteinen ausrutschte und sich den Steiß prellte, vor den Toren von Masstricht die Pulsadern mit seinem Butterbrotschmiermessersäbel aufgeritzt. Der Dumas hat daraus einen, dramaturgisch etwas überspitzten, Roman geschrieben und noch das ein oder andere hinzugefügt. Wer will schon lesen, daß sich der Held mit dem Butterbrotschmiermessersäbel...
Jetzt denkt natürlich alle Welt, das der Dumas eine Dokumentation über den D´Artagnan geschrieben hat. Und weil der Roman viel schöner ist, als das echte Leben, hat man auch ein geschöntes Denkmal hingestellt. Allerdings mit dem Butterbrotschmiermessersäbel, als satirische Spitze, glaube ich.

Und dann Bein, so gut es eben ging, rauf und Bein, aua, aua, runter.

Die doofen Hügel nach Vaals (Vogel-Vau) rauf. Einbeinig. Und wieder die netten Hinweisschilder, die alle hundert Meter darauf hinwiesen, daß man gerade genau hundert Meter zurückgelegt hatte.

Im Dunkeln dann Aachen, Hbf. Noch 30 Minuten bis der Zug fuhr. Ich hab dann am Automaten Fahrkarten organisiert. 2 Personen, 2 Räder.
Das hat dann so lange gedauert, daß wir fast den Zug verpasst hätten.
Da kannst DU mal schön nachbessern, DB!!!

So, abschließend vielen Dank an den kreuzbuben, daß er die Idee zum Ausflug hatte und mich mitfahren ließ.
War aber auch schon gut und nützlich gewesen, daß ich Mittelhochdeutsch, was ja in Belgien die Landessprache...