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Sonntag, 13. September 2015
"Etappenhase"
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Die Batterien für die Lichtanlage waren leer.
Noch nicht einmal das rote Kontrolllämpchen leuchtete, welches den Nutzer darauf hinweist, dass der noch verbliebene Strom ausreicht, um das rote Kontrolllämpchen zum Leuchten zu bringen.

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Hier zum Vergleich das grüne Lämpchen.

Und weil ja jetzt die Tage kürzer werden und das Ausbildungsjahr für Schupos angefangen hat, die dann jetzt häufiger in Begleitung gestandener Stadtteilpolizisten auf Streife gehen und keine Gnade walten lassen, weil der strenge Arm des Gesetzes für Ruhe und Ordnung sorgen soll, nur noch strenger in Begleitung eines freiberuflichen EB-Teams (für Laien: Kamerateam) für solche Formate (Fernsehsendung) wie „Tutu und Manni“ oder „Achtung! Controlling“ oder... ach, ich verzettel mich gerade.
Also, kurz gesagt, ich brauchte Strom für die Lampe. Aber woher, in Dreiteufelsnamen, sollte ich hier, mitten in der Stadt Batterien her nehmen? Der Elektroladen um die Ecke, mit einer Ausstattung aus den frühen 1960er Jahren, teilweise mit ebensolchem Sortiment (er hatte den Batterie-Hasen, der die Zymbeln schwingt!), der hatte just vor wenigen Monaten die Pforten für immer geschlossen.
Und ich war nicht umsichtig genug, noch ein paar Stromspeicher aus dem Hause Quandt zu horten. Das hatte ich ja bereits bei den Glühbirnen verpasst. Ein Leben voller vertaner Chancen.
So stand ich nun da. Ohne Stromspeicher.
Da war guter Rat teuer. Ich erinnerte mich aber, dass ich in der Kindheit von den Erwachsenen hörte, dass da bald der große Strombagger kommt, der den Strom aus der Erde buddelt.
Dafür müssten dann alle Einwohner in der Nähe kurz ihre Häuser verlassen. So, wie man beim Putzen kurz die Beine anhebt. Also, wenn andere putzen und die eigenen Beine dem Besen im Weg - Sie verstehen schon.

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Der geneigte Leser hat vielleicht schon einmal davon gelesen, dass ich sehr gerne mit einem gebrauchten Rad von 1934 unterwegs bin. Das hat den Vorteil, dass es sehr schön schwer ist und auf flacher Strecke schiebt es ganz hervorragend nach und man muss sich gar nicht so anstrengen, beim Fahren. Und seitenwindstabil ist es auch. Da braucht man keine Angst zu haben, dass einen der Wind über so ein Brückengeländer weht.
Für meine anstehende Reise hatte ich das Rad allerdings etwas modifiziert. Denn ich hatte da während der Vorbereitungen was von Höhenmetern gelesen. Da hab ich kurzerhand die Schutzbleche abgeschraubt und mit dem gesparten Kilo fast 5% Gewicht reduziert. Und so bin ich dann los.
Nach Zu den Stromfabriken. Denn die hatten doch bestimmt so mobile Stromspeicher. Für den Notfall, dachte ich. Die geben mir bestimmt ein paar ab. Meinetwegen auch gegen Geld. Mit einem lustigen Lied auf den Lippen und ausreichend Zigaretten (zum Tauschen, man weiß ja nie, bei der Landbevölkerung), hab ich mich aufgemacht.

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Zunächst hab ich mich durch die versiegelten Flächen der Stadt gequält. Naja, zweier Städte.
Oben rechts demnächst noch mehr Versiegelung. 60 m hoch, die Versiegelung. Stand so zumindest im städtischen Versiegelungsplan.

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Dann war endlich freie Sicht auf die Gegend! Ich bin ja ein großer Freund von Gegend.
Und die Gegend gefiel mir. Alles so schön spätsommerlich grau. Und in der Luft lag ein Hauch von Frühherbst. Das fand ich anrührend schön. Toll, das Radfahren auf dem Land. Im Gegensatz zur Stadt!
Also, das ist wirklich ein Gegurke, durch die Stadt. Da spielt es auch keinerlei Rolle, mit welchem Rad man durch die Stadt fährt. Am Besten ist es, man nimmt in der Stadt das Auto.

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Aber auf dem Land, da hat man schöne Sicht auf die Gegend. Am Horizont konnte ich auch schon mein Etappenziel erkennen. Die Schlote der Wolkenfabriken, wo der Strombagger seinen unermüdlichen Dienst zum Segen auch und gerade der Fortschrittsverhinderer tut, die mit ihren
Ängste schürenden Plakaten
, die sie natürlich auf mit Strom betriebenen Rechnern – aber ich will mich nicht in Rage reden.
Da musste ich jedenfalls hin. Und es lief schön leicht, war ja topfeben, die Gegend.

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Der Nachteil von topfeben: die Zeit geht nicht rum. Man fährt und fährt und hat das Gefühl, man kommt nicht an. Das verursachte in mir eine große Wehmut und ich befand die ganze Gegend eher trostlos. Mit all dem Grau. Und den ehemals als Bundesstraße bezeichneten Land- oder Kreisstraßen. Am Horizont der zivilisatorische Fortschritt, schön und gut. Aber ich dachte auch an die Menschen, die jetzt gerade irgendwo auf gepackten Koffern saßen, weil die wieder in ihre Häuser wollten, die sie nur kurz verlassen sollten, bis der Bagger wieder weg war. Hatte denen ja keiner gesagt, dass der Bagger nicht so schnell fahren kann...

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Dann trat Abwechslung in die Kurbelei, denn die ersten Höhenmeter waren zu überwinden. Da hab ich mich, zwischen all dem Japsen und Keuchen gefreut wie ein kleines Kind, weil ich ja die Schutzbleche daheim gelassen hatte! Ha! Da hatte ich dem Newton aber ein schönes Schnippchen geschlagen!
Mit roten Bäckchen stand ich dann vor den Wolkenfabriken und fragte nach Batterien für meine Lampe.
Welche Enttäuschung sich in mir ausbreitete, als ich erfuhr, dass die dort gar keine Batterien hatten,
das vermag ich dem geneigten Leser nicht zu beschreiben. Es war alles so furchtbar!
Und welch naiver Kinderglauben meinerseits. Ist doch klar, dass die in der Wolkenfabrik keine Batterien machen. Dann wäre es ja eine Batterienfabrik. Ich Depp! Hätt ich mal früher bei Armin Maiwald besser aufgepasst. Seufz.

Da war der Tag eigentlich gelaufen.

Uneigentlich war der Tag aber noch lang! Da hab ich mich zusammengerissen und wieder aufs Rad geschwungen.

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Denn der Horizont ging ja noch weiter.
Die Neugier keimte in mir auf, was denn da hinten (ja, eigentlich ist es vor einem, aber hier sagt man das so.) sein mochte. Kannte ich noch gar nicht, die Gegend. Außerdem gab es dort einen Bismarckturm, der Sage nach. Wenn ich den erreichen täte, dann bekäme ich 1000 Euro einen Punkt. Und den konnte ich gut gebrauchen, um mich in der Rangliste der „Unendlichen Rundfahrt“ zu verbessern. Parole : „Auf zur dunkeln Seite des Mondes!“

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Und weil ich ja nun mit dem 24 kg superleggera Wanderer unterwegs war, kannte ich nicht nur nicht die Gegend vor mir, nein, ich kannte auch keine Angst.
Und das war gut so.

Ich konnte dann erstmal keine Bilder knipsen, weil es besser war, beide Hände am Lenker zu halten.
Die Bedingungen für Radler waren (und sind es wohl auch ein paar Tage später immer noch) stellenweise eine mittlere Katastrophe.

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Hier wurden mit Gewinnerlächeln der Landräte viele Bänder in Anwesenheit der Presse durchgeschnitten.
Ein schönes Beispiel war ein Abschnitt Bundesstraße, der immerhin mit einer breiten Mehrzweckspur aufwartete. Allerdings nicht an den Ausfahrten. Da fehlte diese abrupt. Die Mehrzweckspur, meine ich.
Während man da also als Radfahrer eigentlich geradeaus fahren wollte, rauschten von links die Kraftfahrzeuge mit Geschwindigkeit an einem vorbei und scherten vor einem in die Ausfahrten.
Jedesmal bin ich dann also auch von der Straße abgefahren. Eine Lücke im Verkehr abgewartet. Husch-husch, die Straßenseite gewechselt, um die dann sogenannte Auffahrt zu nutzen um wieder auf die Bundesstraße zu gelangen. Eine nervenaufreibende Prozedur. Also ehrlich, ich kann Ihnen sagen, ich war sehr empört! Über das gesunde Maß hinaus!

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Aber ich hatte auch Verständnis. Denn wer in so einer Einöde wohnen muss, der freut sich gewiss über gut ausgebaute Verkehrswege, damit er mal schnell der Trostlosigkeit entfliehen kann. Und nicht immer die Familie verprügeln muss. Diese Formulierung lässt übrigens genügend Spielraum für sämtliche Familienmitglieder
Zum nächsten Puff, zum Beispiel. Ich habe, ungelogen, während meiner Reise ab den Wolkenfabriken bis zur ersten Fabrik für Printen 6 (sic!) Etablissemangs gezählt. Jeweils ab 14.oo Uhr geöffnet, um die Frühschichtarbeitnehmer abzugreifen (nochmals sic!).
Unterwegs rief mir eine junge Dame mit dunklem, langem, samtigen Haar, spärlicher Bekle
aus einem am Feldrand geparktem Wohnmobil „Komm mal her, Schatzi!“ zu. Dabei kannte ich die gar nicht!
Vielleicht hatte sie eine Panne. Aber da ich mit Autos nix mehr mache, hab ich so getan, als hätte ich sie nicht bemerkt und bin einfach weiter die Anhöhe hochgekurbelt. Ich wäre ja auch nie wieder in Schwung gekommen, hätte ich so unvermittelt angehalten.

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Früher fuhr man für Verlustigungen solcher Art wohl eher nach Koeln. Aber da ist ja auch nix mehr los.

Einige Viele radweglose Kilometer, auch und vor allem an Anstiegen mit unübersichtlichen Kurvenradien später, tauchte ich endlich in die olle Kaiserstadt ein. Zunächst auf einem Radweg. Also, in Aachen, nicht Köln.
In Schussfahrt ging es hinab, weil selbst das auf 24 kg abgespeckte Wanderer Superleggera noch ausserordentlich nachschob und kaum durch die Rücktrittbremse zu bändigen war.
Und dann: Baustelle!
Da kam der seltene Moment, wo ich überlegte, sofort einen Schuh samt Fuß zwischen Gabel und Pneu zu pressen, während der andere Fuß mit gebeugtem Knie auf dem Pedal verbleiben sollte, während der Po nach hinten über den Sattel verlagert wenigstens eine minimale Verzögerung herbeiführen sollte.

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Ich entschied mich dann innerhalb von Sekunden für die Ultima Ratio: Stempelbremse!

Stempelbremse in Kombination mit Rücktrittbremse, großen Augen und beten!
Ganz kurz vor einem geschlossen Tor kam ich dann zum Stehen. Dabei macht Aachen ja ansonsten nicht soviele Tore... Das war war wirklich sehr knapp gewesen, mein lieber Herr Gesangsverein.

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In der Aachener Talsohle angekommen, ging es dann nur noch bergauf.
Während silberreifbedeckte Best-Ager vom Rad stiegen, weil sie die Anstrengung ihren Hunden nicht zumuten wollten, war ich bis dato nicht einmal abgestiegen! Darauf war ich mächtig stolz!
Und ich bog in freudiger Erwartung, mit viel Kokolores im Kopf, in die Turmzufahrt ein.


Dann war der Kokolores weg und ich auf einmal ganz ruhig.
Die letzten hundert Meter zum Turm habe ich aus Gründen der Pietät geschoben.
Und ich lasse den geneigten Leser mit den Bildern rund um den Turm mal allein.

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Nachtrag, weil ich danach gefragt wurde:
Einfache Strecke (inkl. Umwege ("ach, guck mal an, muss ich mir mal anschauen"), Orientierungslosigkeit, etc.): ca. 105 km
Höhenmeter (nur rauf): 499,999999999