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[2007]
Pak de Velo

Nachdem wir uns in aller Herrgottsfrühe fröhlich aus den Kunststoffsitzschalen des Zweitliga-Stadions geschält hatten,
genehmigten wir uns zunächst mal ein ausgiebiges Frühstück.
Das ist in Belgien eine ganz besondere Mahlzeit.
Es gibt nämlich nichts Süßes – was man nicht NOCH süßer machen könnte. Schmalzgebackene Spezialitäten aus süßem Hefe- und/oder Blätterteig. Mit und ohne Rosinen. Obligatorisch: Marzipanfüllung. Dazu dann Apfel-Birnen-Dattel-Sirup, wahlweise Marmelade. „Carboloading“, quasi.

Im Frühstücksraum befanden sich übrigens lauter Menschen in Radfahrerbekleidung.
Meine Vermutung war ja zunächst, daß dies synonym zu den englischen Fußballtrikots sei. Der Engländer trägt ja nix anderes. Auch unten rum nicht. Denn wir wissen ja alle, daß es ein Naturbedürfnis des Engländers ist, der Sonne seinen blanken Hintern entgegenzustrecken...
Aber die Belgier, die waren tatsächlich so angezogen, weil sie mit dem Rad fahren wollten.

Wir wollten dann auch fahren. Um den Zeitplan so einigermaßen einzuhalten, sind wir in die Eisenbahn eingestiegen. Da! Ein Pfiff!
Auch in Belgien hat nämlich alles seine Ordnung! Da kann man nicht einfach so, mir nichts, dir nichts, mit dem Rad in einen Waggon klettern! Neeeeeeee, nee, nee, nee!

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Wir wurden vom Schaffner höflich gebeten, das Fahrradabteil zu nutzen. Wir bräuchten uns aber nicht zu beeilen, der Zug würde warten. Dann hat uns der freundliche Schaffner noch erklärt, wie man die Räder befestigt, damit sie nicht umkippen. Ach, sowas, der Befestigungsgurt war defekt?
Mit einer beiläufigen Handbewegung deutete der Schaffner an, daß es nichts ausmache, man könnte das Rad ja auch schräg an die Waggonwand lehnen. Dann klappte er mir noch einen Klappsitz herunter und bot mir einen Sitzplatz an...
Das bin ich von der Bahn SO nicht gewohnt!!!
Der geneigte Leser kann sich meine Verwirrung bestimmt vorstellen.

Der Zug, kurioserweise und laut einer angebrachten Plakette, das Eigentum einer Stuttgarter Mobiliengesellschaft, schwebte dann gen Leuven. Und bevor wir es uns in den schweren Fauteuils gemütlich machen konnten, waren wir auch schon da!
Flugs aufs Rad, quer durch den Bahnhof, über die

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Hauptstraße ins Zentrum,

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das berühmte Denkmal "Männeken Pils" angeguckt und weiter, zum Beginenhof.

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Beginenhof, das ist der Ort, wo Jan Delay seine ersten musikalischen Meriten verdiente.
Das ich das mal sehen würde, fand ich hammerhart.

Aber genug vom Backstein – hinein ins nuancierte Grün!
Nicht, ohne zuvor einen neuen Schlauch in mein Hinterrad einzupopeln. Der alte, vom Vortag, war nämlich kaputt.

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Grün

Ja, und dann hab ich erstmal keine Fotos mehr gemacht....

Ich sag mal so:
Im Grün, ne, da sind wir, der kreuzbube und ich, ganz gut durchgekommen. Schotter, Wurzelwerk, Kopfsteinpflaster, Schlaglöcher (tief wie Granattrichter) – alles kein Problem.
Dann, auf einer Passage mit Split, ertönte wieder dieses ulkige „Flapp-flapp-flapp“, nee, eigentlich tönte es nun „vlap-vlap-vlap“ vom Hinterrad. Vielleicht erinnert sich der geneigte Leser.
Blind vor Wut, im rasenden gerechten Zorn, riss ich einige Setzlinge aus dem Waldboden!
Weil meine Hände und Lippen vor Ärger bebten, half mir abermals der kreuzbube beim Schlauchtausch. So langsam gingen ja auch die Vorräte an Schläuchen zur Neige und dann hatte, zu allem Überfluss, auch noch das Ventil eine Macke, sodaß ich dann mit gefühlten 1,5 bar Luftdruck die Fahrt (die Fahrt, wohlgemerkt! Das war ja längst keine Reise mehr!) fortsetzen konnte.
Mit Unbehagen, denn wir wussten nun, das der Mantel eines renommierten Markenherstellers einen hübschen Schnitt aufwies. Da hätte eine Distel genügt, um die Fahrt zu beenden, sag ich mal.

Zum Glück kamen dann erstmal keine Disteln, sondern die hübschen Produkte aus Visé zum Zuge.
Betonplatten. Schön durchnummeriert (manchmal waren aber auch Zahlen vertauscht – hihihi), bildeten sie den Straßenbelag im ländlichen Raum.
Und die Fahrt ging auch erstaunlich gut voran...
Endlich hatte der doofe Gegenwind klein beigegeben...

Nach geraumer Zeit, kurz bevor einer von uns beiden ausrufen konnte: „Kommt mir bekannt vor“,
haben wir es dann gemerkt... der Gegenwind war Rückenwind geworden...weil wir in die falsche Richtung ja einen Rundkurs um Leuven machen wollten und das auch getan haben.
Jawoll!
Zufrieden ob unserer Leistung sind wir dann

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zurück in die Beginen.

Dort hab ich in einem Fahrradladen im Vorübergehen noch einen Vollgummireifen besorgt. Und das Schlauchlager aufgekauft – was man hat, das hat man.
Bei einem Brodje Frikandel beschlossen wir, den Reifen alsbald zu wechseln.
Nach dem Brodje Frikandel hatten wir dazu keine Lust mehr.
Wir hatten auch zum Radfahren plötzlich keine Lust mehr, weil da ja jetzt ein schöner Ziegelstein im Bauch lag. Der wollte erstmal verdaut werden. Im Sitzen. In der Bahn.
Und so sind wir dann zum nächsten Zug. Der war seeeeehr lang. Und wir hatten ja die Transferleistung erbracht, daß Fahrräder gefälligst im Fahrradwaggon zu transportieren seien.
Da sind wir als Deutsche nun mal sehr eifrig, was das Befolgen von Vorschriften betrifft.
Aber ach! Da war gar kein Fahrradwaggon... Am Ende des Zuges erspähten wir den Schaffner. Da sind wir dann hin. Recht zügig, trotz des Ziegelsteins.
Der Schaffner, lässig an den Zug gelehnt, mit einer Zigarette in der Hand (trotz Nichtraucherbereich!) beantwortete meinen fragenden Blick mit der Frage, wo wir denn hin wollten. „Naar Chent“, sagte ich. Der Schaffner nickte und wir durften unsere Räder in den hintersten Waggon einladen. Was wir nicht wussten: Es war das Schaffner-Abteil. Der Sozialraum, quasi.
Tief beeindruckt von soviel Gastfreundlichkeit setzten wir uns und ließen den Ziegelstein seine Wirkung tun.
In Gent hat uns dann der Schaffner freundlich geweckt.

Auf dem Fahrradparkplatz haben wir mein Gepäck neu gepackt.
Der noch nicht montierte Vollgummireifen musste schließlich noch tourentauglich an den Rucksack klamüsert werden.

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La troisième roue de mon vélo

Von Gent hatten wir natürlich kein Kartenmaterial mitgeführt und trotzdem hatte es nur 45 Minuten gedauert, bis wir den richtigen Fahrradweg gefunden hatten.

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Und in den Sonnenuntergang hinein, mit einem Lied auf den Lippen, (das man aber nicht hören konnte, weil ja nun der doofe Gegenwind wieder unser Gast war und so weiter und so fort) velozipierten wir gen Westen! Oder den Tod!

wordt vervolgd...




Gab es da nicht zum Frühstück noch diesen Spekulatiuscreme-Brotaufstrich?
Im Übrigen bin ich angetan von den Bildern. Sie kommen meinen fiebrigen Wahrnehmungen sehr nahe.

Allerdings! Fast vergessen: Hagelschlag gab es auch. Sogar den echten, und nicht etwa die schlechtschmelzende Schokofantasie, was den Preis für das Frühstück rechtfertigte.