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"bicycle hooligans"

Kaffee und Speichel auf Bütten
Format: ca. 30 x 40 cm

Vielleicht kennt der geneigte Leser und passive Radsportler ja die ruckelnd bewegten Bilder aus dem Live-Stream von großen Rennradrennveranstaltungen in den Bergen.
Dörfer, die eigentlich nur im Winter geöffnet haben, werden für drei Tage - weil die Zufahrt zwei Tage vor einer Rennradrennveranstaltung polizeilich gesperrt wird - aus dem Sommerschlaf geweckt. Da fahren dann, meist männliche, Radsportbegeisterte mit dem Wohnmobil oder sogar dem eigenen Hollandrad die Hügel hinauf, um an besonders steilen Passagen, wenn sie selbst nicht mehr weiterkömmen, vonwegen der Kiste Bier auf dem Gepäckträger, zu rasten um dann die Rennradrennveranstaltungsteilnehmer (im Folgenden "Fahrer" genannt) in Empfang zu nehmen und ihnen ein paar freundliche Worte mit auf den Weg zu geben.
Das macht auch Sinn, denn die freundlichen Worte, die hören die Fahrer ja sonst nicht, wenn sie auf flachen Passagen mit 250 Stundenkilometern (abgeregelt) an den Zuschauern vorbeiflitzen. Als Zuschauer erhascht man oft nur ein mehrfaches "RRRRRRRRRRRR" der Radmechanik. Die Fahrer leiden nämlich still vor sich hin.
Und bei solchen Geschwindigkeiten, da kann man den Fahrern auch nicht mal eben einen Kassiber zustecken, wo die freundlichen Worte draufstehen.

Also ist es aus Sicht der Zuschauer durchaus sinnvoll, sich an besonders steilen Passagen hinzusetzen und auf die Fahrer zu warten, weil diese da eben naturgemäß etwas langsamer hochfahren. Das ist der Newton schuld, dass das so ist.
Und diese Gelegenheit nutzen dann ganz schön viele Zuschauer. Manchmal mit dem Neugeborenen auf dem Arm, damit der favorisierte Fahrer diesem vielleicht das Köpfchen streichelt.
Derweil sitzen die Regierungen der Männer im Wohnmobil oder Zelt, und fragen sich, was sie geritten hat, den gemeinsamen Urlaub am Strand von St. Tropez zu unterbrechen, um schmale Gebirgsstraßen zu erklimmen, die man dann auch wieder in einem zweitätigen Stau, Stoßstange an Stoßstange, begleitet von einem Fliegenschwarm an schlecht bremsenden Hollandrädern auch wieder hinunter fahren muss.
Nur, weil der Alte "EINMAL" dabei sein wollte, wenn Radfahrer einen Berg hochfahren. Um die Wette.
Und wegen der Nähe zu den Heroen (Fahrer) - Fänzie Romäntiek

Dann gibt es noch die Zuschauer, die mehr an den begleitenden Mopeds interessiert sind.
Darauf sitzt ja immer mindestens ein EB-Team. Das ist Fernsehkauderwelsch für...
"Elektronische Berichterstattung".
Beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland besteht so ein EB-Team aus einem Kameramann, dem Toningenieur mit Assistent (der den unhandlichen Besenstiel mit Mikrophon tragen darf), dem Beleuchter, Moderator und Redakteur.
Das gäbe ein ganz schönes Gedränge auf dem Moped. Denn einen Mopedlenkmann brauchts ja auch noch.
Darum gibt es auch keine Rennradrennveranstaltung mehr in Deutschland. Vonwegen dem Personaleinsatz und den beengten Platzverhältnissen auf den Begleitmopeds. Und auch wegen der komplizierten Arbeitszeitvereinbarungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (Sie können ja mal spaßeshalber versuchen, an einem beliebigen Freitag, nach 12 Uhr mittags z.B. beim WDR jemanden ans Telefon zu kriegen- hihi).
Woanders genügt hinten auf dem Moped ein Mensch mit Kamera. Und auf den warten jene Zuschauer.
Das Rennradradrennen interessiert die nicht die Bohne. Die wollen nur ins Fernsehen. Dafür ziehen die sich ulkige Kostüme an. Noch ulkiger, als diese Radsportmode ja eh bereits schon ist und dann brüllen die herum, dass es eine wahre Freude ist. Die Brüllen aber nicht die Rennradfahrer an, sondern den Kameramann.

Das waren die Personengruppen, die in der guten alten Zeit, als der Jürgen Emig (ein Opfer der Neiddebatte) noch die großen Rennradradrennen phonetisch begleitete.
Mittlerweile gibt es noch eine weitere...

Dieser neuen Gruppe liegt nix an der Rennradrennveranstaltung, geschweige denn an freundlichen Worten.
Das sind durchweg verhinderte Verbitterte, die auf der Straße des Lebens den Feldweg nie verlassen und außerdem Stadionverbot haben. Pyrotechniker sind auch darunter.
Ich meine, was soll denn das? Mit den Rauchbomben in der Hand zu wedeln?
Wer mit dem Rad bei Sonnenschein schon mal an den Rheinwiesen entlang, oder durch eine Kleingartenkolonie geradelt ist, der kann vielleicht erahnen, wie anstrengend und unangenehm das Luft holen inmitten der Grillagerauchschwaden ist. Und dann bewerfen die auch noch die Fahrer mit ihren Pipibierbechern. Also ehrlich! Wir sind doch nicht beim Querfeldeinrennen, wo sich so ein Hooligan vom Fahrer auch schon mal eine fängt. Mit Recht.




Es dürfte 1987 gewesen sein, dass im Hinblick auf die 750-Jahrfeier Berlins eine Startetappe der Tour in Berlin stattfand. Ich kann mich dunkel erinnern, dass wir ziemlich lange am Straßenrand warten mussten, bis was passierte. Das, was passierte, tat dies dann ziemlich schnell. Ein oder zwei Ausreißer oder kleinere Grüppchen - WUSCH. Dann das Hauptfeld - WUUUUSCH. Dann nix mehr. Aber beeindruckend!
Führte immerhin dazu, dass ich mehrere Sommer trotz angenehmer Sommerwitterung hauptsächlich vor dem Fernseher verbrachte. Vermutlich um das WUSCH zu verlängern. Und ohne jemals auf einem Rennrad gesessen zu haben.

Ich war im Kindergartenalter (gewesen), als ich mein erstes Tour de France Erlebnis hatte.

Ich war in der Mittagspause daheim, alleine gar, und schaute TV (das ist heutzutage bestimmt gesellschaftlich geächtet, oder? Fehlende 24/7 Betreuung und Mangelernährung). Dem Emig seine Stimme überschlug sich und ich sah, wie der Sieger mit hochgerissenen Armen das Ziel überquerte. Ich war völlig fasziniert.
Dann bin ich zum Kindergarten geradelt. Kirmesgrünmetallic, weiße Bananensitzbank, weiße Griffe, weiße Klingel, weiße schwarze 12" Reifen. Kurz vor der Nachmittagsbetreuungsstätte, also, dem Ziel, quasi, riss ich wohlüberlegt die Arme hoch...

Mit meinem Bonanzarad konnte ma nicht gut freihändig fahren... Überhaupt ist das mit manchem nervösen Rennrad mit extrem kurzen Radstand so eine Sache. Wenn man dann noch einen viel zu kurzen Vorbau dranschraubt, der für diese Rahmengröße nie und nimmer dran gehört... Länge läuft, sag ich nur...

Aber zum eigentlichen Thema: Stets pflegte ich Fussballfans auf den Radsport zu verweisen, wo es unter Millionen Zuschauern keine Krawalle gibt. Leider suchen sich die Schachmaten nun auch dort ihr Betätigungsfeld. Ich denke aber, dass sich das nicht so ausgeprägt fortsetzen wird wie beim Volkssport Nr. 1.

Auf dem Bild, da unten rechts, will da der eine dem anderen ins Ohr beißen?

Okay, keine Krawalle, aber der Ton wird da und dort schon rauher:
(...) I wasn’t telling him his momma was fat or anything,” said Kalan Beisel, who harangued Danielson on Thursday in Colorado Springs, to the point of prompting Danielson to extend a middle finger, mid-race. “I just called him a doper and told him he sucks. It was really simple … I don’t think it’s harsh at all. Personally I think he shouldn’t be racing in the peloton.”
Tja.

Die flapsige Redensart "Ein Ohr abkauen", meinen Sie?
Ein interessanter Gedanke!

Die Fahrer sind ja untereinander alle Feinde, wie in jedem ordentlichen Wirtschaftsunternehmen.
Da gab es doch vor ein paar Jahren mal Szenen mit Kopfnüssen und so. (Naja, vielleicht war das auch "nur" eine Kopfnuss)

Ich möchte aber Ihr Augenmerk auf den obigen Fahrer lenken, mit den schweren Beinen.
Und die Menschengruppe, die ihm wie ein Klotz am Hinterrad hängt und dem ganzen eine schöne Schwere verleiht.

Grandioser Neofuturismus aus der Hand eines NeoPicasso, a la Achille Funi, Motociclista.
Und dann vermutlich noch aus einer verschütteten Kaffeetasse heraus entwickelt. Für mich als Verehrer des Futurismus ein spätes Meisterwerk. Radfahren hin oder her.

Zudem braucht der kapitalisierte Sport Hooligans, denke ich. Etwas mehr Extase, viel mehr. Beim Sport, wo denn sonst. Sollten Sie mal sehen, wenn 58 von 59 Tausend Fussballfans mit ihren ausdrucklosen Botoxfressen weiß-rote FC Bayern-Fähnchen schwenken. Da wünscht man sich einen Stalin als Stadionssprecher, dass wenigstens ein bisschen Stimmung aufkommt. Auf dem Platz ist es ja härter geworden, was hintergründig sicherlich mit den Einschaltquoten zusammenhängt.
Mit diesem Bild als Einleitung schreit der professionelle Radsport doch förmlich nach mehr Action seitens der Zuschauer, die dank der vorüberquälenden, asthmakranken Spitzenathleten geradezu explodieren. Dass da hin und wieder auch mal die schlechte Seite durchkommt, ist doch allzu menschlich.

5. Noi vogliamo inneggiare all'uomo che tiene il volante, la cui asta ideale attraversa la Terra, lanciata a corsa, essa pure, sul circuito della sua orbita.

Wir wollen den Mann besingen, der das Steuer hält, dessen Idealachse die Erde durchquert, die selbst auf ihrer Bahn dahinjagt. aber eben auch

9. Wir wollen den Krieg verherrlichen — diese einzige Hygiene der Welt -, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.

und damit wären dann auch alle pyrotechnischen Streckenbegleiter eleminiert. So zumindest sieht es das futuristische Manifest bezüglich Sport und Hooligans.

es ist und bleibt verzwickt, im futurologischen artisanen-kampf.
ich sehe übrigens eine große zukunft für die golf-hools. die anziehsachen-klamotten-bekleidungsfrage ist dort ja bereits geklärt. und das 19. loch könnte gleich auf der "grünen wiese" ausgefochten werden. das spart geld und zeit, weil die anfahrtswege zur wiese entfallen. tiecher wutts combat hools 18...
mensch! sogar die zahlenkombinationen täten passen! so ein glück!